: Die neue Niedertracht
Zum Internationalen Frauentag: Der Geschlechterkampf ist out, die Privatfehde in. Frauen und Männer meiden die offene Konfrontation. Guerillataktiken und üble Tricks sind an der Tagesordnung. Politische Emanzipationsstrategien? Nicht in Sicht!
von BASCHA MIKA
Die Welt ist ein Misthaufen. Das haben Männer grandios hingekriegt. Beim Morden, Brennen, Vergewaltigen und Vernichten sind sie einsame Spitze. Ihr Geschenk an die Menschheit: die Kriegs-, Krisen- und Katastrophengebiete dieser Erde. Politisch kompromittiert, sozial disqualifiziert, moralisch blamiert haben sie zur Genüge unter Beweis gestellt, dass sie gemeingefährliche Irre sind, intellektuell unterbelichtet und zu nichts Vernünftigem zu gebrauchen.
Derlei Thesen passen in ihrer bestechenden Schlichtheit zum 8. März. Die Frage ist nur: Wen kümmert’s?
Frauen zumindest nicht. Die haben mit dem offenen Kampf gegen die Männerwelt nichts am Hut. Nur wer sich die Realität zusammenfantasiert, entdeckt heutzutage und hierzulande einen Geschlechterkrieg. So spricht die Oberfeministin Alice Schwarzer neuerdings zwar vom „Highnoon im Geschlechterkampf“, aber da hat sie sich wohl geirrt. Highnoon, zwölf Uhr mittags, geht’s im gleichnamigen Film zur entscheidenden Schlacht. Welche, bitte schön, sollte das zwischen Männern und Frauen heute wohl sein?
Kein Kriegsgetöse, kein Schlachtengetümmel. Niemand hat angeblich ein Problem – woher kommt dann nur dieses verdammte Unbehagen?
Derzeit überfällt die Geschlechterfrage ihre Opfer vorzugsweise aus dem Hinterhalt. Frauen wie Männer reagieren mit Guerillamethoden, tückisch und hundsgemein. Nicht politische Emanzipationsstrategien sind angesagt, sondern individuelle Befreiungsscharmützel: Taktieren mit Tricks, das leise Gemetzel. Eine neue Niedertracht bestimmt das Verhältnis der Geschlechter.
Beim politischen Aschermittwoch demonstrierte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, auf welchem intellektuellen Niveau gespielt wird. Ulla Schmidt sei vermutlich nur deshalb neue Bundesgesundheitsministerin geworden, höhnte er, weil die Bundesregierung „nach dem Abgang von Oskar Lafontaine keinen mehr hatte, der sich im Rotlichtmilieu auskannte“. I’m glad, I don’t have to think with what I’m missing, pflegt die Geheimdienstchefin bei James Bond in solchen Fällen zu sagen.
Die Frauenverachtung hat zugenommen, stellt die marxistische Feministin Germaine Greer fest, weil Männer heute mehr zu befürchten hätten. Und weil es sich mit dieser Verunsicherung schlecht lebt, können sich die vergrätzten Mausemänner mit Überlebens- und Überlegenheitstechniken eindecken: „Survival-Guide“, „101 Gründe ohne Frauen zu leben“, „Macho-Guide“. Wem’s denn hilft ...
Auch in der Liga der Evolutionspsychologen gibt’s interessante Ansätze. Zwar versuchen sie mit ihren wissenschaftlichen „Erkenntnissen“ nicht mehr gleich den angeborenen Schwachsinn des Weibes, doch wenigstens die naturgemäße Dominanz und Gewalttätigkeit des Mannes zu beweisen. Und während der österreichische FPÖ-Frauenminister tatsächlich eine Abteilung für geknechtete Männer einzurichten gedenkt, frohlockt der Therapeut Wolfgang Bergmann: „Der Aufschwung der Femininen ist schon wieder am Ende ... Männlichkeit bestimmt die Zukunft.“ Warum? Weil der Mann abstrakt und universell denken könne.
Dann hat natürlich Matthias Matussek noch etwas zu sagen. Auf die Frage, wie er beim Untergang der „Titanic“ reagieren würde, wenn die Parole „Frauen und Kinder zuerst!“ ertönt, meinte er: „Ich würde die weibliche Seite in mir entdecken – sowieso die beste Methode heutzutage, sich aus Gefahr und Not zu wienern. Dann würde ich, als ‚Titanic‘-Frauenbeauftragter, dagegen protestieren, dass Rinder zuerst in die Boote sollen, ist doch Wahnsinn, welche Kuh hat sich denn das wieder ausgedacht.“
Verbale Mätzchen zwischen Gemeinheit und Schwäche, hämische Monologe und auch perfides Schweigen – Ersatzrituale für den Diskurs zwischen den Geschlechtern. Frauen stehen da Männern kaum nach. Besonders übel werden die Verletzungen bei Scheidung mit Kinderfrage, da tut jede/r sein Bestes. Je hässlicher die Denunziation, desto größer die emotionale Befriedigung – Scheidungsrichter verdienten eine Schmutzzulage.
Um den Niederungen gewappnet zu sein, proben Frauen das „Zickenprinzip“, fantasieren sich als Machiavelli, versuchen es mit „Geier“- oder „Krähentechnik“ und identifizieren sich mit dem TV-Serienstar Ally McBeal, weil die mit gefletschten Zähnen fauchen kann und immer alles haben will: Selbstbewusstsein und Mann und Freiheit und Kinder und Stärke und Hilflosigkeit und und.
So laut, fit, frech und cool viele Frauen inzwischen auftreten, so armselig sind sie nach wie vor dran, wenn’s ans Eingemachte geht: um den Topjob, das Männergehalt, um Hausarbeit und Kinderbetreuung. Das Patriarachat schlägt nicht zurück, es verharrt. Trotzdem traut sich niemand so brutal-befreiend gegen die Verhältnisse zu fantasieren wie einst Valerie Solanas. Ende der Sechziger propagierte sie genüsslich sadistisch: „Vernichtet die Männer!“ Sie hätten die „ganze Welt in einen Scheißhaufen“ verwandelt und seien nicht einmal „als Zuchtbullen“ geeignet. Keine Gnade auch mit Frauen: „Wärmeflaschen mit Titten“ seien sie, ließen sich wie „Tiere“ immer wieder in die Reproduktion schubsen.
In der Realität greifen Frauen statt auf Provokation verstärkt auf die Techniken ihrer Großmütter zurück, im schlechtesten Fall auf passive Aggression: erlisten und ertricksen sich ihre Freiräume, geben sich kooperativ statt kämpferisch, engagieren lieber Putzfrau und Tagesmutter statt Krach mit dem Kerl zu riskieren. Wenn’s hoch kommt, lassen sie ihn das vielleicht bezahlen. Oder sie treten in den Gebärstreik, auch wenn sie unter anderen Umständen vielleicht gerne Kinder gehabt hätten.
Das Politische, die Auseinandersetzung um Emanzipationsstrategien und deren Beitrag zu einer zivilen Gesellschaft, ist ins läppische Private abgedrängt. Und während mal wieder jede und jeder für sich versucht, die Geschlechterbeziehung als individuelles Problem zu bewältigen, besitzen Frauen laut UNO-Bericht nach wie vor nur 1 Prozent des Weltvermögens und ebenfalls nur 1 Prozent des Grund und Bodens. Die Feminisierung der Armut schreitet weltweit voran; Mädchen haben weniger Chancen auf Schulbildung als noch ihre Mütter; Kinder- und Müttersterblichkeit so wie Unterernährung sind gestiegen; in Südafrika sind bereits 55 Prozent aller Aidskranken Frauen ...
Nichts Neues also von diesem Teil des Misthaufens. Lösungen? Nicht in Sicht. Der Gemeinheit des Geschlechterwiderspruchs ist eben nicht mit Gemeinheit beizukommen. Taktische Mätzchen, Rumtricksereien und Zuschleimen der Widersprüche machen zwar manches vielleicht sogar irgendwie erträglicher. Aber auch nur irgendwie.
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