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Eloge auf Judenretter in NS-Zeit

Bundespräsident Johannes Rau hat Menschen gewürdigt, die Verfolgten des NS-Regimes halfen. Expertengruppe soll über zentrale Gedenkstätte in Berlin beraten

BERLIN taz ■ Erstmals hat mit Johannes Rau gestern ein Bundespräsident die Menschen gewürdigt, die während des Nazi-Regimes jüdischen Verfolgten zur Seite standen. „Ich plädiere dafür, diesen stillen Helden eine zentrale Gedenkstätte in Berlin zu widmen“, sagte Rau auf einer Veranstaltung zu Ehren der Schriftstellerin Inge Deutschkron in Berlin.

In den nächsten Wochen will Rau eine Expertenrunde einberufen. Diese solle darüber beraten, in welcher Form der stillen Helden künftig in Deutschland gedacht werde. So wie sich die Deutschen früher zu wenig mit den NS-Verbrechen auseinander gesetzt hätten, so befassten sie sich heute zu wenig mit denen, die sich den Verbrechen entgegenstellten, sagte Rau. Zwar wird im Ehrenhain von Jad Vaschem in Israel auch 342 Deutscher gedacht. Doch in der Bundesrepublik wurde diese Personengruppe offiziell nie anerkannt. Geehrt wurden nur einzelne: 250 Personen erhielten das Bundesverdienstkreuz. Von 1958 bis 1963 führte der Berliner Senat eine Ehrungsinitiative „Unbesungene Helden“ durch.

Die Schriftstellerin Inge Deutschkron, die das Nazi-Regime selbst nur mit Hilfe Dritter überlebte, setzt sich seit Jahren dafür ein, die Retter angemessen zu ehren. „Ich bin dankbar, dass Jad Vaschem sie geehrt hat“, sagte sie gestern in Berlin, „denn die Staatsorgane dieses Landes haben sie bis heute weder beachtet noch geachtet.“

Der Grund dafür liegt auf der Hand, glaubt Beate Kosmala. Am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin betreut sie das Projekt „Judenretter“. „Wenn diese Personengruppe schon sehr früh geehrt worden wäre“, so Kosmala, „hätte das leicht als Apologie gewertet werden können.“ Rund 2.000 Helfer sind den Wissenschaftlern bekannt. Männer und Frauen, die jüdische Verfolgte versteckt oder ihnen Lebensmittelmarken gegeben haben. Ohne Rücksicht auf die Gefahr, die ihnen selbst drohte. In Berlin überlebten auf diese Weise 1.400 Juden den Holocaust. Diese Beispiele zeigten, so Rau, „dass es auch unter dem Nazi-Regime Entscheidungsspielräume gab“.

NICOLE MASCHLER

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