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Die Seuche kennt keine Grenzen

In Frankreich gilt der „Katastrophenplan Maul- und Klauenseuche“. Maßnahmen, die bislang als übertrieben angesehen wurden, sind nun Konsens

aus Paris DOROTHEA HAHN

Positiv. Dieses negativste aller möglichen Signale kam gestern morgen aus einem Labor des französischen Nahrungsmittelinstituts ASSF. Es hatte Rindfleisch von einem Bauernhof im Departement Mayenne im Westen des Landes auf Maul- und Klauenseuche untersucht. Wenige Stunden später meldete auch ein Labor in dem östlich von Paris gelegenen Departement Seine-et-Marne den Verdacht auf die Seuche – dieses Mal bei Schafen. Der Virus, vor dem ganz Europa seit dem 19. Februar zittert, ist damit nachweislich auf dem Kontinent gelandet.

Die 114-köpfige Rinderherde im Departement Mayenne war in der Nacht zu Dienstag notgeschlachtet worden, die Schafe im Großraum Paris bereits Anfang dieses Monats. In der Mayenne wurde die Rinderherde gestern verbrannt und der „Katastrophenplan Maul- und Klauenseuche“ ausgerufen: Quarantänezonen in einem Radius von drei Kilometer um die betroffenen Höfe, Straßensperren und ein „Überwachungskreis“ von zehn Kilometern. Viehtransporte waren bereits in der vergangenen Woche in Frankreich radikal eingeschränkt worden.

Die französischen Behörden hatten seit dem Ausbruch der Epidemie in England bereits 20.000 Schafe in rund 20 Departements notgeschlachtet, die aus Großbritannien importiert worden waren. Mehrfach waren dabei Antikörper entdeckt worden, aber noch nie ein Virus. Sprecher der Bauern Frankreichs – des größten Agrarlands der EU – hatten diese Maßnahmen vielfach als „übertrieben“ kritisiert. Mehrfach hatten aufgebrachte Bauern in den vergangenen Wochen deswegen den Kommunalwahlkampf von Premierminister Lionel Jospin gestört. Ihre Klage: Schon die Entschädigungen, die Frankreich und EU wegen Rinderwahn zahlen, seien „viel zu niedrig“ – die Maul- und Klauenseuche würde sie endgültig ruinieren.

Gestern rechtfertigte Landwirtschaftsminister Jean Glavany, die „drastische Kampagne“. Er befürchtet „weitere Fälle“ von Maul- und Klauenseuche und forderte die Viehzüchter zu „extremer Wachsamkeit“ auf. Ausnahmsweise stimmte Luc Guyau, Chef der größten französischen Bauernorganisation (FNSEA), dem Sozialisten zu.

Wie die anderen EU-Länder hat Frankreich schon vor Jahren die Impfung gegen die Maul- und Klauenseuche abgeschafft – aus Kostengründen. Lediglich die KPF war damals dagegen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt neben der „Wachsamkeit“ nur noch die Beobachtung der Winde. Denn der Virus überträgt sich nicht nur durch direkten Kontakt, sondern auch durch die Luft. Nach Auskunft französischer Wissenschaftler kann er auf dem Landweg bis zu 60, auf dem Seeweg sogar bis zu 300 Kilometer „überfliegen“. Mehrere Nachbarländer Frankreichs, darunter Belgien und Spanien, aber auch Polen verhängten gestern vorsorglich Importverbote für französisches Vieh, um gegen den Virus zu kämpfen, der keine Grenzen kennt.

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