ENTSCHÄDIGUNG FÜR NS-ZWANGSARBEITER IST IMAGEPFLEGE: Billig davongekommen
Soll man sich freuen? Es fällt schwer. Zwar bekommen die Zwangsarbeiter jetzt endlich, endlich doch ihr Geld. Aber immer noch aus dem falschen Grund. Sie werden nicht entschädigt, weil die deutschen Firmen eingesehen hätten, dass sie moralisch verpflichtet sind, NS-Unrecht ein wenig zu lindern. Nein, ein paar deutsche Großunternehmen haben ihren Anteil erhöht und eine Ausfallbürgschaft übernommen, weil sie ihre guten Markennamen retten wollten. Und nicht nur das Image ihrer eigenen Firmen war in Gefahr – sondern auch eine Marke namens „Deutschland“. Dass der Starrsinn der Unternehmer außenpolitischen Großschaden anrichtet – das dürfte Schröder den 17 Topmanagern in diversen Gesprächen und zuletzt im Kanzleramt klar gesagt haben. Doch keine Panik, Kanzler. Man kann nur konstatieren: Operation gelungen. Das Image der Deutschland AG ist aufpoliert. „Mit Erleichterung“ wurde die neue Freigebigkeit allerorten aufgenommen. Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, „begrüßte“ die Umkehr, der Grüne Volker Beck urteilte: „ein entscheidener Schritt nach vorn“. Und der tschechische Regierungsbeauftragte Jiří Sitler sprach von einer „guten Nachricht“.
Zwar wird noch um die Auslegung der leidigen „Rechtssicherheit“ gerungen. Aber dies kann der deutschen Wirtschaft kaum noch schaden, hat sie doch ihren guten Willen dokumentiert. Ganz im Gegenteil: Der Streit um die Rechtssicherheit wird den Unternehmen sogar nutzen – jetzt, da ihre Zahlungsmoral nicht mehr bezweifelt wird. Denn wo so leidenschaftlich gekämpft wird, muss sich allseits der Eindruck einstellen, dass es wohl irgendwie um ganz, ganz viel Geld geht. Anders wäre die Aufregung ja gar nicht erklärlich. Es handelt sich aber nicht um eine gigantische Summe – sondern um magere 2,5 Milliarden Mark netto. Dahin schrumpft der Bruttobeitrag der Unternehmen von 5 Milliarden Mark, wenn man die Anrechnungsmöglichkeiten bei der Steuer berücksichtigt.
2,5 Milliarden sind aber nicht nur lächerlich wenig angesichts des NS-Unrechts, für das es zu entschädigen gilt – es ist auch eine absurd geringe Summe, wenn man sich andere Zahlen vergegenwärtigt. Nehmen wir nur die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Da ist es ganzen sechs (!) Unternehmen gelungen, knapp 100 Milliarden Mark zu mobilisieren. Und zwar aus dem Stand.
Markennamen sind heutzutage teuer, die Werbung verschlingt Unsummen. Mit den 2,5 Milliarden Mark für die Zwangsarbeiter ist die deutsche Wirtschaft wirklich billig davongekommen.
ULRIKE HERRMANN
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