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Nordlichter für mehr Transparenz

Die EU-Staaten streiten über den Geheimhaltungsgrad von Dokumenten. Die Südländer würden am liebsten alles Militärische automatisch unter Verschluss halten, nicht nur vor dem Zugriff der Bürger, sondern auch vor dem Parlament der Gemeinschaft

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Für die finnische Europaabgeordnete und Sprecherin der grünen Fraktion, Heidi Hautala, ist die Sache „kristallklar“: Nach Artikel 255 des Amsterdamer Vertrages, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, muss der freie Zugang zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission die Regel sein. Mit dem Stempel „vertraulich“ darf ein Papier nur in streng eingegrenzten Ausnahmefällen versehen werden. Mögliche Gründe für diese Einschränkungen „aufgrund öffentlicher oder privater Interessen“ sollten innerhalb von zwei Jahren festgelegt werden, auch das steht in Artikel 255. Die Frist endet am 1. Mai. Deshalb steht die so genannte „Transparenzverordnung“ heute auf der Tagesordnung des Außenministerrats in Brüssel. Für die schwedische Präsidentschaft hängt Herzblut an dem Thema, denn die Nordländer setzen traditionell auf größtmögliche Offenheit gegenüber ihren Bürgern. „Je weiter man nach Süden kommt, desto zugeknöpfter sind die Politiker“, beschreibt ein deutscher Diplomat die Konfliktlinie im Ministerrat.

Vielleicht ist es also kein Zufall, dass es ein Spanier war, der vergangenen Sommer auf dem kleinen Dienstweg versuchte, militärische Dokumente vorab von der Transparenz auszunehmen. Im schriftlichen Verfahren einigte sich eine Mehrheit auf den „Solana-Erlass“: Demnach sollen Öffentlichkeit und Parlament keinen direkten Zugang mehr zu vertraulichen Dokumenten aus den Bereichen Außen- und Verteidigungspolitik haben. Das Parlament soll allenfalls in regelmäßigen Abständen Berichte erhalten.

Der Ex-Nato-Generalsekretär, der bei der EU den undeutlich umrissenen Aufgaben eines „Hohen Repräsentanten für Außen- und Sicherheitspolitik“ nachgeht, wollte dem großen Bruder Amerika demonstrieren, dass die Europäer es ernst meinen mit ihrer eigenständigen Militärpolitik. Der Nato-Führungsstab, so die Botschaft, könne sich jederzeit mit dem Planungsstab der europäischen Kriseninterventionstruppe abstimmen, ohne befürchten zu müssen, dass strategische Details am nächsten Tag im Europaparlament diskutiert werden.

Nicht bei allen Mitgliedsstaaten hat das Verhältnis zu Nato und USA oberste Priorität. Die niederländische Regierung klagte gegen den Solana-Erlass. Auch das Europäische Parlament wandte sich an den Europäischen Gerichtshof.

Die schwedische Präsidentschaft versucht nun, bis zum 1. Mai eine mehrheitsfähige Definition zu finden, was ein Dokument ist und unter welchen Bedingungen es als geheim eingestuft werden muss. Für die großen EU-Gründerstaaten Frankreich, Deutschland und Italien sowie für Spanien war der Rat stets ein Freiraum für Geheimdiplomatie, das lästige Parlament musste draußen bleiben. Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederlande drängen dagegen auf mehr öffentliche und parlamentarische Kontrolle. Die Internet-Seiten der schwedischen Präsidentschaft zeigen das auf einen Blick: sie sprechen die mündigen Bürger an. Ihre Homepage hilft, Europa zu verstehen.

Aber wo kämen wir hin, wenn sich jeder Bürger selbst sein Urteil bildete, fragt besorgt die deutsche Bundesregierung. Schon der Autor eines Dokuments müsse dessen Geheimhaltungsstufe bestimmen können, verlangen die Deutschen. Sie argumentieren mit einem Beispiel: Jüngst habe der Kanzler einen Brief an Kommissionspräsident Prodi geschrieben, und der habe den doch glatt veröffentlichen wollen. Das sei dem Kanzler aber gar nicht recht gewesen, Transparenzverordnung hin oder her.

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