: Schluss mit dem Geldregen
Der Sponsor Göttinger Gruppe steigt bei Tennis Borussia aus. Er wandelte den Klub als ersten bundesweit in eine Kapitalgesellschaft um und wollte hoch hinaus. Doch das ging daneben
von MARKUS VÖLKER
Es ist fünf nach zwölf, schon seit einer halben Stunde. Die Wanduhr in der Geschäftsstelle von Tennis Borussia Berlin (TeBe) im Design der Göttinger Gruppe steht still. Sinnbildlich hält sie sich an die Ereignisse und bedeutet wohl: Die Zeit des Sponsors ist abgelaufen. Vergangene Woche gab das Unternehmen aus der Finanzbranche seinen Rückzug bekannt. Ende Juni ist Schluss mit dem Fußballinvestment.
„Wir haben einen Niedergang erlebt, der Seltenheit hat in der Fußballbranche“, sagt Michael Plassmann. Er ist Geschäftsführer von TeBe. Angefangen hat er bei den Göttingern. Er kennt deren Ansprüche. Von Champions League war die Rede, vom schnellen Erreichen des „Break-Even“. Man erträumte Bundesligaspiele im Olympiastadion. Hertha BSC Berlin setzte die Stapfen, in die TeBe treten wollte. Plassmann: „Man ist mit sehr hohen Ansprüchen angetreten, die Realität sieht leider anders aus.“
1995 stieg der Sponsor ein. Damals piesackten Tennis Borussia Schulden von vier Millionen Mark. Über 70 Millionen pumpten die Finanzdienstleister fortan in den Klub, wandelten ihn als ersten in Deutschland in eine Kapitalgesellschaft um und standen am Ende mit leeren Händen da. Fast. Immerhin nehmen sie eine Immobilie in der Heerstraße innerhalb der Tennis Borussia Fußball GmbH & Co. KGaA mit.
Die Sprecherin der Göttinger Gruppe, Almud Harig, legt besonderen Wert darauf, dass die Trennung sauber, fair und einvernehmlich geschehe. Außerdem: Der Verein bleibe ohne Schulden zurück. Das Image der Gruppe hat durch Beteiligungen im grauen Kapitalmarkt gelitten. Nun soll die Kommanditgesellschaft auf Aktien der „Neuausrichtung des Konzerns“ dienen, indem „Anlegern neue Rendite-Potenziale für die Zukunft“ erschlossen werden. Wie das gehen soll, wenn momentan nur monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 13.500 Mark in die KGaA fließen, verrät Harig nicht.
Training der Borussen. Ingo Schmidt beäugt seine Mannschaft am Mommsenstadion. Der langjährige Fan ist der einzige Zaungast. Am Tabellenende der Regionalliga Nord stehen seine Lila-Weißen. Es besteht kaum noch Aussicht auf Klassenerhalt. Der Ausstieg der Göttinger Gruppe ist gut für TeBe, sagt er. „Da können wir von unten vielleicht neuen Schwung holen.“
Die Anhänger des Berliner Traditionsvereins konnten sich nur schwer mit dem Geldgeber arrangieren. Die unterschiedliche Sprache riss Gräben auf. Wurde da von „Maloche“ und „Blutgrätsche“ geredet, unterhielt man sich hier über „systemimmanente Kontrollmechanismen“ und schrieb an Werken wie „Going Public einer Fußball-Kapitalgesellschaft“.
Die Distanz konnte auch Robert Jaspert nie überwinden. Er ist seit November Trainer der ersten Mannschaft und schon sieben Jahre im Verein. „Vielleicht können wir jetzt einen Genesungsprozess einläuten“, hofft er, und dass „wir in Zukunft wieder Tennis Borussia sind und nicht die Göttinger Gruppe“. Tatsächlich verschwand der Klub mit seinen schrulligen Fans und reichlich Patina hinter dem Investor. Die Formel „Viel Geld für wenig Leistung“ habe die falschen Leute angelockt, sagt Jaspert. Abzocker. Charakterlose Typen. Noch immer sind zwei Gerichtsverfahren anhängig. Fußballprofi Sergej Kiriakov will ebenso wie Winfried Schäfer Millionenbeträge erstreiten.
Wenn TeBe eines aus der letzten Zeit gelernt hat, dann dies: sich nicht mehr in die Abhängigkeit eines übermächtigen Partners zu begeben. Leise Töne sind angesagt. Gesundes Wirtschaften. Plassmann ist auf der Suche nach „neuen Refinanzierungsmöglichkeiten“. Ein Bereich, der in Frage kommt, ist die erfolgreiche Jugendabteilung. Die Förderung der Talente gilt als beispielhaft. Und dann gibt es noch die so genannten Alt-Borussen, die nun wieder mit dem Scheckbuch zur Stelle sein sollen, darunter Jack White. Plassmann ist jede Mark willkommen. Doch bei White zögert er. Der Grund: Im Herbst überwies TeBe die letzte Rate (1,3 Millionen Mark) an den Schlagermogul, Altlast aus einem Rechtsstreit mit dem ehemaligen Präsidenten. Das 100-jährige Vereinsjubiläum im kommenden Jahr wird man voraussichtlich in der Oberliga feiern müssen. Viertklassig.
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