Deutsche jetzt noch stolzer

In Rheinland-Pfalz starten die Christdemokraten mit geschwellter Brust eine Plakatkampagne. Nach Jürgen Trittins Skinhead-Attacke entdecken sie wahlkampfgerecht Gefühle für die Nation

BERLIN taz ■ Die Deutschen können wieder stolz auf ihr Land sein. Zumindest die Bild-Zeitungs-Deutschen. „Weil es dunkles Brot gibt“, schreibt Frau P. aus Essen an das Blatt ihres Vertrauens und bringt es mit ihrem verdauungsfördernden Grund fast so treffend auf den Punkt wie die rheinland-pfälzische CDU. Die südwestdeutschen Christdemokraten haben gestern ein neues Plakat für den Endspurt ihres Wahlkampfs vorgestellt: „Es gibt viele Gründe, stolz auf Deutschland zu sein“, heißt es dort, und die Gründe für diese Gefühlsaufwallung werden gleich mitgeliefert: „Fußball-WM 1954, 1972, 1990“, „Asyl für politisch Verfolgte“ oder „Erfindung des Computers“.

Wenn Politiker Gefühle für ihre Nation entwickeln, wird es meist gefährlich. Doch wer solch feine Argumente liefert, kann nur Recht haben. Und allein Deutschlandverächter fragen sich, ob die Ungarn oder Holländer seinerzeit nicht den schöneren Fußball spielten und den WM-Titel eher verdient gehabt hätten. Auch die Leistungen der CDU auf dem Gebiet des Asylrechts sollten gewürdigt werden. Ein besonderes Lob gebührt dem Computererfinder Konrad Zuse, dessen schrankgroße Rechenmaschinen künftig alle japanischen Notebooks ersetzen sollten.

Allerdings muss man sich bei solch einleuchtenden nationalen Vorbildern Sorgen um die rechtsradikalen CDU-Konkurrenten machen. Zwar wollen die „Republikaner“ und die NPD die neue Stolz-Kampagne der CDU mit Parallelaktionen unterstützen. Aber was für Argumente bleiben dann noch für die aufrechten Nationalisten? Müssen die dann stolz auf die CDU sein? Werden sie den österreichischen Walzer-Krauter Robert Stolz heimholen ins Großdeutsche Reich? Oder werden sie so weit nach außen gedrängt, dass sie sich schon im Ausland ihre Parolen abholen müssen? Zum Beispiel beim italienischen Wahlkämpfer Silvio Berlusconi, der bei den deutschsprachigen Südtirolern Stimmen gewinnen will und deshalb Plakate aufhängen ließ mit dem ausgefeilten Slogan „Anständigere für alle“.

Die Frage lautet nur: Was meint das? Oder ist das absichtlich purer Nonsens? Der beweist: Die Botschaft ist nichts, Werbung ist alles. Die italienischen Konservativen könnten dann tatsächlich stolz sein, vorgeführt zu haben, wie man trotz geistiger Armut bella figura macht. So eine gute Figur kriegen die Deutschen mit ihrer stolzgeschwellten Brust nicht hin.

MICHAEL RINGEL

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