: Krenz muss sitzen bleiben
Der ehemalige DDR-Staatschef muss zurück ins Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt: Die Schießbefehle an der Mauer waren Unrecht auch nach DDR-Recht. Andere Klagen von DDR-Spitzen verlieren ihre Chancen
FREIBURG taz ■ „Ich habe ein Urteil bekommen, aber kein Recht.“ Egon Krenz fühlt sich weiter schlecht behandelt. Dabei hat nun auch die Instanz, auf die er alle Hoffnung setzte, gegen ihn entschieden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies gestern Krenz’ Klage gegen die Bundesrepublik einstimmig ab.
Wenn es nach dem ehemaligen DDR-Staatschef gegangen wäre, hätten die Straßburger Richter Deutschland wegen eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt. Doch das Gericht kam nun zum Schluss, dass es bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Mauertoten keine verbotene „Rückwirkung“ von Strafgesetzen gegeben habe. Die DDR wurde damit als Staat mit rechtsstaatlichen Gesetzen eingestuft, der jedoch sein eigenes Recht missachtete.
Das Urteil hat nicht nur für die Mauerfälle Bedeutung. Auch die Verurteilung von DDR-Richtern wegen Rechtsbeugung oder von DDR-Politikern wegen Wahlfälschung kann damit kaum noch angegriffen werden. Mit dem Urteil sei Krenz’ Hinweis auf eine „bundesrepublikanische Siegerjustiz“ endgültig die Grundlage entzogen, sagte gestern unter anderem Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Die Mutter des letzten Maueropfers, Karin Gueffroy, sagte nur: „Mir fällt ein Stein vom Herzen.“ Krenz’ Anwalt Robert Unger bezeichnete das Urteil als „enttäuschend“, da es „keine historische Sicht der Dinge“ enthalte.
Krenz hatte die Mauertoten stets zu den „Kosten des Kalten Krieges“ gerechnet. Für die DDR-Führung habe gar kein Spielraum für ein milderes Grenzregime bestanden. Egon Krenz, der keine weiteren Rechtsmittel hat, verbüßt derzeit in Berlin eine sechseinhalbjährige Freiheitsstrafe, arbeitet jedoch als Freigänger für eine Fluggesellschaft. Seine einstigen Mitangeklagten im Politbüroprozess, Günther Kleiber und Günter Schabowski, wurden 2000 begnadigt, weil sie sich reuig zeigten. CHRISTIAN RATH
inland SEITE 8
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen