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Der Sanierungsfall vom Alex

Die Bankgesellschaft steckt in der größten Krise seit ihrer Gründung – und zieht das Land mit in den Strudel. Die Grünen fordern eine Aufspaltung: Sparkasse und Landesbank sollen in öffentlicher Verantwortung bleiben, der Rest soll abgestoßen werden

von RICHARD ROTHER

Die drei bunten Säulen auf dem Alexanderhaus sollen Stärke symbolisieren. Unter dem Logo der Bankgesellschaft, 1994 aus der Fusion der Berliner Bank, der Berlin Hyp und der Landesbank entstanden, ist allerdings nur noch ein Gefühl stark: Enttäuschung. Denn aus der Bank am Alexanderplatz, die öffentliche und private Teile vereinigt, ist ein Sanierungsfall geworden; 16.000 Beschäftigte fürchten nach wochenlanger Diskussion um Skandale und Schieflagen um ihre Jobs. Für den Weg aus der Misere will der Aufsichtsrat morgen die Weichen stellen.

1994 fing alles viel versprechend an: Mit der Verschmelzung mehrerer Berliner Banken unter dem Dach einer Holding – unter anderem der Sparkasse, die im Privatkundengeschäft Marktführer in der Region ist – war eine der zehn größten deutschen Banken entstanden. Allerdings: Um die Position zu halten und auszubauen, war die Bank zu weiterem Wachstum verdammt. Die Konsequenz: Risikoreiche Kredite wurden vergeben, Immobilienfonds aufgelegt, die die Anleger mit hohen Renditen bei geringem Risiko lockten. Das gnadenlos gescheiterte Immobiliengeschäft mit der Firma Aubis, dem der Ruch der Korruption anhängt, war dabei nur die Spitze des Eisbergs. Nach den Sonderprüfungen der staatlichen Bankenaufsicht ist das Kartenhaus am Alex in sich zusammengefallen. Auf bis zu 12 Milliarden Mark beziffert SPD-Fraktionsvize Michael Müller den Wertberichtigungsbedarf der Bank, der sich seit ihrer Gründung angehäuft hat.

Für Berlin, das an der Bank zu knapp 57 Prozent beteiligt ist, hat das immense Folgen. Allein für den laufenden Haushalt könnte sich der Schaden auf mehrere Milliarden Mark summieren: Der bereits sichere Ausfall der Dividende in Höhe von 135 Millionen Mark ist dabei noch das geringere Übel. Hinzu kommen nicht zu realisierende Einnahmen aus dem Verkauf von Aktienanteilen in Höhe von 500 Millionen Mark. Scheitert der Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW an die Banktochter Ibag, fehlen weitere 1,5 Milliarden im Landessäckel. Unsicher ist auch noch die Kapitalentnahme bei der Investitionsbank Berlin, die eine Milliarde bringen sollte.

Hinzu kommen die bilanziellen Risiken bei der Bank, für die eventuell das Land einstehen muss: Nicht ausgeschlossen wird, dass die Anteilseigner zur Erhöhung des Eigenkapitals bis zu 2 Milliarden Mark in den Konzern stecken müssen – die Hälfte davon entfiele auf das Land. Summa summarum ergibt das bis zu 4 Milliarden Mark Belastungen für den Landeshaushalt. Zum Vergleich: Nicht mal ein Zehntel dieser Summe berappt Berlin für die aktive Arbeitsmarktpolitik.

Allerdings hält sich die Bereitschaft, Haushaltsmittel in die marode Bank zu schießen, in Grenzen. Problematisch sind aber auch die Alternativen. Eine davon ist die Ausgabe so genannter Genussscheine, um am Kapitalmarkt frisches Geld zu akquirieren. Der Nachteil: Dabei muss nicht nur die jährliche Verzinsung gewährleistet sein, das Geld muss den Anlegern auch irgendwann zurückgezahlt werden – das wäre das typische Berliner Modell, Risiken in die Zukunft zu verlagern. Eine weitere Möglichkeit ist, einen strategischen Partner zu finden. Angesichts der Schieflage dürfte der sich aber kaum mit 6,5 Prozent der Anteile zufrieden geben – das Land verlöre seinen Mehrheitseinfluss.

Für die Grünen ist deshalb ein grundsätzlicher Schnitt unvermeidlich. „Den ganzen Privatbankenzirkus brauchen wir nicht“, sagt Finanzexperte Burkhard Müller-Schoenau. Das Grünen-Modell, das am Montag im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert wird, sieht vor, den öffentlichen vom privaten Sektor zu trennen. Nach Ansicht der Grünen ist dieser Schritt auch in Hinblick auf den Streit der Bundesregierung mit der EU-Kommission geboten: EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti sieht in den staatlichen Garantien für die WestLB versteckte Beihilfen. Die WestLB ist ähnlich wie die Bankgesellschaft öffentlich-privat strukturiert.

In der Verantwortung des Landes bliebe dann die Landesbank mit allen Sparkassenfunktionen und die Investitionsbank, die wirtschafts- und strukturpolitische Funktionen übernimmt. „Damit wollen wir die Kreditversorgung der kleinen und mittleren Unternehmen und den Kontorzugang für alle Bevölkerungsschichten sichern“, sagt die Grünen-Wirtschaftsexpertin Lisa Paus. Der Rest der Bankgesellschaft – Großkunden, Aktien- und Immobiliengeschäft – würde abgespalten und abgegeben. Der von den Grünen erwünschte Nebeneffekt: Das Land wäre die finanziellen Sorgen mit einem Mal los – aber auch eine Bank, die – zumindest potenziell – im Konzert der großen mitspielen kann.

Dass sich der Aufsichtsrat zu einem solch harten Schnitt durchringt, ist deshalb unwahrscheinlich. Dennoch soll es strukturelle Veränderungen im Konzern geben. So sollen risikoreiche Kredite künftig nicht mehr von in Tochterbanken, sondern zentral verwaltet werden.

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