: Killing Fields in Cumbria
Auch die britische Regierung bekämpft die Seuche jetzt: Ab sofort wird geimpft und kein Fleischabfall mehr verfüttert. „Wilde“ Herdwick-Schafe drohen auszusterben
DUBLIN taz ■ Die britische Regierung hat vorgestern Abend ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche vorgestellt – mehr als fünf Wochen nach Auftreten des ersten Falles. Landwirtschaftsminister Nick Brown sagte, die Regierung habe bei der Europäischen Union eine Impfgenehmigung für Tiere im Umkreis eines infizierten Hofes beantragt. Die geimpften Tiere müssen später zwar nicht getötet werden, sagte ein Regierungsbeamter, aber es werde nun neun Monate länger dauern, bis Großbritannien offiziell als seuchenfrei gelte. Am Wochenende hatte die Regierung eine Impfung noch strikt abgelehnt, weil viele Länder das Fleisch geimpfter Tiere nicht importieren würden.
Ab sofort ist auch Schweinefutter aus Fleischabfällen verboten. Schließlich soll die Seuche durch Essensreste aus einem chinesischen Restaurant in Northumberland ausgelöst worden sein. Bewiesen ist das nicht. Der Mikrobiologe Harash Narang aus Newcastle glaubt, das Virus vom Typ O sei aus einem Regierungslabor in Pirbright in Surrey entwichen, wo mit dem Erreger experimentiert worden sei.
Das ebenfalls verhängte eingeschränkte Transportverbot für Schafe wird die britische Landwirtschaft grundlegend verändern. Künftig müssen Schafe nach dem Verkauf mindestens 20 Tage auf dem neuen Hof bleiben statt wie bisher von einem Viehmarkt zum nächsten transportiert zu werden.
Brown machte den unkontrollierbaren Transport der Tiere für die rasante Ausbreitung der Seuche verantwortlich. Am Dienstag gab es 33 neue Fälle, die Zahl der betroffenen Höfe liegt nun bei 682. 423.000 Tiere sind schon getötet worden, 250.000 weitere stehen auf der Warteliste. Da täglich nur 31.000 Tiere drankommen können, wird das über eine Woche dauern.
Brown sagte, die Verzögerungen beschränken sich auf die Grafschaft Cumbria. Auf einem verlassenen Lufwaffenstützpunkt der Royal Air Force bei Great Orton haben Soldaten Gräben von zwei Kilometer Länge und vier Meter Tiefe ausgehoben. 40.000 Kadaver sind dort bereits begraben worden. Seit gestern werden lebende Tiere dorthin geschafft und direkt neben den Gräben getötet. Insgesamt sollen auf dem Luftwaffenstützpunkt, der bei den Anwohnern inzwischen „The Killing Fields“ heißt, eine halbe Million Kadaver beerdigt werden.
In Cumbria, wo mehr als ein Drittel aller britischen Fälle aufgetreten ist, hat die Maul- und Klauenseuche besonders katastrophale Auswirkungen. Die Region lebt vom Tourismus, dort gehen seit Ausbruch der Seuche 350 Jobs pro Woche verloren. Eine besondere Attraktion sind die Herdwick-Schafe, eine einzigartige Rasse, die vor Tausenden von Jahren aus Norwegen nach Britannien kam. „Sie leben wie wilde Tiere“, sagt Fiona Reynolds von der Naturschutzbehörde. „Ihr Fleisch ist zu 85 Prozent organisch. Die Königin hat es am Tag ihrer Krönung 1953 zum Frühstück gegessen. Jedes Schaf hat sein eigenes Gebiet, die Mutterschafe geben dieses Wissen an die Lämmer weiter.“ Deshalb benötige man keine Zäune. Andere Schafe seien auf den Hügeln kaum anzusiedeln, sagt Reynolds, so dass das Grasland versteppen werde.
Ob die für den 3. Mai geplanten Parlamentswahlen auf den 7. Juni verschoben werden, will Premierminister Tony Blair am Wochenende entscheiden. Die für den 29. April angesetzte Volkszählung muss wohl abgesagt werden. RALF SOTSCHECK
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen