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: Fans wollen nicht flüchtige Zerstreuung, sondern sinnliches Gesamterlebnis

Graswurzel-Aktionismus

Für Romantiker war es ein schöner Anblick: ein Protest! Ein Massenprotest gar! Die Botschaft war identisch in München und Hamburg und las sich simpel: pro 15:30, Samstag. In dieser Saison werden drei der neun Begegnungen an anderen Tagen, eine erst am Samstagabend angepfiffen. Das war das der Hauch zu viel an Refinanzierungswillkür von Kirch.

Jedenfalls schwappt seit Anfang Februar die Bewegung „Pro 15:30“ durch die Stadien, anfangs nicht einmal von Fanvertretern richtig ernst genommen. Pro 15:30 sah nach chaotischem Graswurzelaktionismus aus, mit seiner nicht hierarchischen Organisation und dem Prinzip, lokale Aktivität durch einen Kommunikationsknotenpunkt im Internet (pro1530.de) zu vernetzen.

Inzwischen ist aus dem Schwappen keine Flut, aber eine Welle geworden. Vermutlich, weil das Anliegen nicht politisch und radikal, sondern sentimental und konsensfähig wirkt. Schon nach den ersten kleineren Aktionen am 20. Spieltag war es ausgerechnet der Kicker, verhalten bei allem, was jenseits von Rasen und Regenerationsbecken passiert, der den Fanprotest würdigte. Jetzt, am 27. Spieltag, hat es die Bewegung schon in die Abendausgabe der Tagesschau geschafft. Vielleicht, weil die Nachrichtenredakteure nach den Castor-Tagen noch in der Stimmung waren, Protestkultur unters Volk zu bringen. Vielleicht nur, weil die ARD die Bundesliga gerade nicht mästet und ausschlachtet. Das tut Sat 1. Bei ran musste deshalb Freiburgs Manager artig mitteilen, wie wichtig das Fernsehgeld sei. Was impliziert, dass man sich den Wünschen der Kirch-Sender nach möglichst vielen Anstoßzeiten zu fügen hat.

Klingt soweit logisch. Aber Sinn macht es deshalb nicht. Denn ein Spieltag an drei Tagen mit vier Anstoßzeiten bietet kein sinnliches Gesamterlebnis, sondern nur flüchtige Zerstreuung. Natürlich führt jeder Manager an, man könne Räder nicht zurückdrehen und dass, wenn die Vereine weniger Geld hätten, sie keine guten Spieler kaufen könnten. Und dass das doch wohl niemand wolle. Aber womöglich werden Stareinkäufe börsennotierter Unternehmen mit Profitcenter Fußballteam, präsentiert im eigenen Pay-TV-Kanal, eines Tages keinen Fan mehr interessieren. Fußball ist eine kommunikative Volksdroge. Wenn man mag: geistige Nahrung. Wenn es aber nur noch um Geld geht, wird am Ende das Geld selbst sinnlos. Man kann es nicht essen. So simpel ist das. Und deshalb ist die Bewegung Pro 15:30 vielleicht gar nicht so harmlos unpolitisch, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.KATRIN WEBER-KLÜVER

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