: „Entschieden ist hier noch nichts“
Die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag, Monika Griefahn, über die Berliner Schlossfrage, eine mögliche Einigung bei den Baukosten für die „Topographie des Terrors“ und einige Projekte in der auswärtigen Kulturpolitik
Interview BRIGITTE WERNEBURG
taz: Der letzte Wettbewerb, bevor es um die Frage des Berliner Schlosses geht, ist entschieden. Der Bertelsmann-Konzern wird 2003 im rekonstruierten Kommandentenhaus Unter den Linden 1 residieren. Was ist Ihre Haltung in der Schlossfrage?
Monika Griefahn: Meine Position war immer, ich will erst wissen, was in einem wie auch immer gearteten Gebäude passieren soll. Es muss hier eine öffentlich zugängliche Nutzung sein. Es kam ja mal die Idee auf, dass der BND dort angesiedelt werden könnte, weil er gerade ein neues Domizil sucht. Das hielte ich aber nicht für öffentlich zugänglich. Ob man dann für eine Rekonstruktion oder für eine Mischung plädiert, wie es die Grünen einmal vorgeschlagen haben, mit einem Teilaufbau in der alten Arbeitsweise, in der alten Steinmetzqualität des Bauhütteverfahrens und ansonsten mit einer neuen Ausschreibung und der Integration des Volkskammersaals als historisches Element, ist eine Frage, die sich zuletzt stellt. Auch der Vorschlag, die Dahlemer Museen dort zu etablieren, finde ich gut. Das wäre aber erst ein Drittel der Nutzung.
Ist das Schloss, seine Rekonstruktion, absolut undenkbar?
Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es eine ausschließliche Rekonstruktion der Fassade des Schlosses geben wird. Und es wäre ja nur eine Fassade. Die Innenräume würden ja nicht wieder aufgebaut.
Wenn man den Platz neu bebaut, um ausschließlich auf Geschichte zurückzugreifen, halte ich das auch von der historischen Dimension her für falsch. Die Bebauung muss gut integriert sein in die „humanistische Insel“, das Ensemble von Humboldt-Universität, Staatsoper, Zeughaus etc.
Ein anderes Problem sind die Baukosten der„Topographie des Terrors“, die nicht absehbar sind. Die FAZ fordert, die Zumthor-Architektur dennoch zu realisieren. Jetzt scheint sich eine Einigung bei 76 Millionen Mark abzuzeichnen?
Das ist noch nicht so sicher. Der Architekt Peter Zumthor hat gesagt, mit 76 Millionen ist das Projekt nicht zu finanzieren. Es muss noch einmal geprüft werden, ob tatsächlich dieser Rahmen eingehalten wird. Auf der Basis des ursprünglichen Kostenplanes von 36 Millionen hat der Bund zugesichert, hiervon die Hälfte, also 18 Millionen, zu tragen. Auf Grund der folgenden Entwicklung hat Staatsminister Nida-Rümelin zugesagt zu überprüfen, ob der Bund eventuell mehr Mittel zur Verfügung stellen kann, da er sich in der Pflicht fühlt. Entschieden ist hier noch nichts.
Der Kulturausschuss hat letztes Jahr die Konzeption 2000 zur auswärtigen Kulturpolitik von Außenminister Fischer als zu wolkig gerügt und bat um Konkretisierung. Dem ist der Minister nachgekommen. Was kann der Ausschuss fordern? Welche Befugnisse, welche Verantwortlichkeiten hat er?
Das Parlament in Deutschland hat eine sehr starke Position. Wenn ich einen Vergleich anstellen will – ich habe viele Kontakte zu Frankreich –, ist beispielsweise das französische Parlament eher eine Zur-Kenntnisnahme-Organisation gegenüber der Regierung. Das ist in Deutschland anders. Es gibt einen dialogischen Prozess. Wir nehmen einen Vorschlag erst einmal auf und dann gehen wir in einen Diskussionsprozess. Es ist nicht immer so, dass wir unbedingt etwas entgegensetzen müssen.
Es verläuft eher so, dass die Parlamentarier Elemente und Fakten, die sie aus Erfahrung gewonnen haben, mit berücksichtigt haben wollen. Das kann ein längerer Prozess sein, weil der Kulturausschuss relativ häufig auch parteiübergreifend zu einer Position kommt, die dann beispielweise aber auch parteiübergreifend bei den Haushältern auf Widerstand stößt.
Von der Bundeskultur- oder Nationalstiftung ist im Moment gar nichts zu hören. Ist es die Angst vor Finanzminister Eichel? Vor den Ländern?
Ich habe gesagt, wir müssen nicht dauernd öffentlich über Dinge debattieren, die noch nicht spruchreif sind. Es geht um die Frage, ab wann welche Finanzierung vorhanden ist. Es kamen ja ständig zusätzliche Projekte im Kulturbereich dazu, zum Beispiel die Berggruen-Sammlung oder die Unterhaltskosten für die Berliner Institutionen, die der Bund übernommen hat. So hat Berlin in diesem Jahr 70 Millionen zusätzlich bekommen. 25 Millionen als Anteil für den preußischen Kulturbesitz, dann die Übernahme der laufenden Kosten für die übernommenen Institutionen wie zum Beispiel das Jüdische Museum. Das hatte keine Betriebskosten im Haushalt in Berlin! Die müssen wir zusätzlich einbringen, das sind etwa 26 Millionen.
Nicht nur die Kulturpolitik im Innern, auch die auswärtige Kulturpolitik ist Ihr Thema?
Etatmäßig ist es sogar fast die Hälfte des Kulturetats, den wir im Ausschuss behandeln. Wir haben etwa 1,1 Milliarden Mark für die auswärtige Kulturpolitik und 1,6 Milliarden Mark für den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Ich bin auch Berichterstatterin meiner Fraktion für auswärtige Kulturpolitik im auswärtigen Ausschuss. Gerade dieses Jahr ist das UN-Jahr des Dialogs der Kulturen, für den ich mich engagiere und der ein vorrangiges Thema sein wird. So wird der Kulturausschuss nach Indien fahren, um mit Vertretern dieses Landes über Möglichkeiten und Chancen des internationalen kulturellen Dialogs zu sprechen.
In der auswärtigen Kulturpolitik sind die Kürzungen zwar niedriger ausgefallen als zunächst von Eichel gefordert. Trotzdem müssen Sie noch 60 Millionen bis 2002 einsparen. In Bangalore, dem Silicon Valley Indiens, droht die Schließung des Goethe-Instituts.
Ich bin gegen die Schließungspolitik. Das neue Goethe-Institut Inter Nationes bemüht sich Einsparungen vorzunehmen und arbeitet deshalb an neuen Modellen, die Einsparungen möglich machen, ohne dass es einen Verlust in der Qualität der Arbeit gibt. Die deutsche Wirtschaft hat zudem ein großes Interesse daran, dass in den Ländern, in denen sie selbst aktiv ist, auch Goethe-Institute existieren. Sie will, dass ihre Mitarbeiter Deutsch lernen, und sie braucht für ihre Leute aus Deutschland eine kulturelle Anlaufstelle.
Deswegen muss sich die deutsche Wirtschaft mehr engagieren. Hilmar Hoffmann, der ja Ende des Jahres als Präsident ausscheidet, baut gerade eine Goethe-Stiftung auf, für die er im Moment sehr aktiv Unternehmen mobilisiert, um eine dauerhafte Finanzierung zu sichern. Ich glaube, dass es in Ordnung ist, dass man neue Institute aufmacht in Gebieten, wo wir die Notwendigkeit zur Demokratieentwicklung sehen. Dafür müssen andere Institute umstrukturiert werden oder wir finden andere Modelle wie zum Beispiel in Palermo und Genua. Neue Formen der Kooperation müssen vor Ort ausprobiert werden, die dann den finanziellen Spielraum für andere Regionen schaffen.
Die Green-Card-Initiative von Bundeskanzler Schröder ist bislang ein Flop. Gibt es da nicht einen Zusammenhang zu dem Schließen von Instituten?
Bangalore zu schließen ist, wie gesagt, nicht sinnvoll. Nicht nur in Indien wollen wir ein attraktives Deutschlandbild vermitteln. Bei der Delegationsreise des Ausschusses nach Indien werden wir auch Bangalore besuchen. Indien hat ja im Prinzip eine gute Beziehung zu Deutschland. Es geht uns darum, den Slogan von der „Zweibahnstraße“, also dem gegenseitigen Kulturaustausch, in der auswärtigen Kulturpolitik noch fester zu etablieren. In Indien können wir da schon auf einiges zurückgreifen.
Die Politik, die vom Goethe-Institut eine Zeit lang ausprobiert wurde, jedes Mal wenn eine Haushaltskürzung kam, Institute zu schließen, war deshalb falsch. Die Institute sind unsere wichtigste Ressource für eine Politik des kulturellen Dialogs und der demokratischen Entwicklung.
Hat das Goethe-Institut Inter Nationes inzwischen seine Politik geändert?
So ist es. Ich denke, auch die Goethe-Manager haben erkannt, dass die Schließungen nur einen schlechten Ruf bringen.
Die wissenschaftlich-technische Elite des Auslands will hier nicht unbedingt arbeiten. Sie will hier aber auch nicht unbedingt studieren oder kann es auch nicht. Muss sich da nicht etwas ändern?
Wir sind dabei. Zunächst gibt es eine Werbeaktion, um Deutschland wieder als Studienort zu präsentieren. Das Image ist teilweise schlechter, als die Situation wirklich ist. An der Fachhochschule etwa, an der mein Mann doziert und an der viele Ingenieure auch aus Schwellenländern ausgebildet werden, weil da Tropenwasserwirtschaft angeboten wird, gibt es einen englischsprachigen Studiengang. Daneben hat die Bundesregierung 21 Millionen Mark mehr für Stipendien veranschlagt. Und als dritte Initiative, die jetzt gerade läuft, sollen ausländische Studierende, die hier ihr Studium abgeschlossen haben, auch eine Arbeitserlaubnis bekommen. Auch außerhalb der Green-Card-Regelung, also nicht nur im IT-Bereich, denn es gibt viele, die sagen, jetzt spreche ich so gut Deutsch und bin hier an der Hochschule gefragt, aber ich darf nicht hier bleiben, weil ich keine Arbeitserlaubnis bekomme.
Und dann wird das Deutschlandbild auch von den Medien gemacht und damit sind wir . . .
. . . bei unserem Lieblingsthema! Wir werden ja demnächst die Aufgabenplanung der Deutschen Welle beraten und sehen, wo Neudefinitionen notwendig sind. Das hängt natürlich auch mit der neuen Intendanz zusammen, der man eine Möglichkeit geben muss, selbst Vorschläge zu machen. Natürlich ist die Wahl der neuen Intendanz auch schon eine Programmentscheidung. Wir müssen sehr stark zielgruppenorientiert verfahren und sehen, für wen ist das Fernsehen, für wen bieten wir Radio und für wen bieten wir Online-Angebote an. Die Online-Angebote werden ausgebaut werden. Das halte ich auch für richtig. Dafür muss das Deutsche-Welle-Gesetz geändert werden, damit das auch tatsächlich als Auftrag formuliert ist. Und dann werden wir noch ein Best-of-Programm anbieten. Und warum sollen wir nicht in den USA zum Beispiel ein Pay-TV-Programm machen? Selbst wenn es nur 5.000 Leute sind, die ein solches Programm sehen, würde sich das rechnen.
Als Kandidaten sind der Bremer Staatsrat Erik Bettermann (SPD), der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD), Petra Lidschreiber vom SFB und der parteilose Medienwissenschaftler Hans Kleinsteuber im Gespräch. Kommt da noch jemand dazu?
Das wird von dem Vorgespräch mit den Gremien der Deutschen Welle abhängen. Und man muss noch einmal deutlich machen, dass diese Gremien nicht mehrheitlich durch die Regierungsfraktionen besetzt sind. Da wird die Frage der Partei keine Rolle spielen.
Aber bei Dieter Weirich (CDU) hat das eine Rolle gespielt?
Ja, da waren die Mehrheitsverhältnisse auch so. Und die Mehrheitsverhältnisse sind immer noch so. Die haben sich nicht geändert.
Das könnte dann fast eine Chance sein, für den qualifiziertesten Kandidaten?
Ja, ernsthaft. Deswegen sage ich, der Vorwurf, die Wahl der Intendanz könnte zu SPD-nah sein, wird gar keine Basis haben.
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