: Als ob man sich hinter einen Zug werfe
■ Die Bürgerschaft diskutiert lebhaft aber sachlich über den Tiefwasserhafen
„Der Hafen ist es wert, eine kontroverse Debatte in der Stadt zu führen“, sagt GAL-Hafenpolitiker Axel Bühler. Die kann er haben. Die CDU hat ein Thema entdeckt, mit dem sie dem Bürgermeister „Schaden für die Stadt“ vorwerfen kann, und die GAL hat ein Thema entdeckt, mit dem sie sich von der SPD absetzen kann. Trotzdem wurde die Diskussion über den Tiefwasserstandort Wilhelmshaven gestern Nachmittag zu einer Stunde in der Bürgerschaft, die schon beinahe als lebhafte Sachdebatte bezeichnet werden könnte.
Der Ärger der GAL über den Alleingang des Bürgermeisters, die Option auf eine neue Elbvertiefung mit dem Bau eines Tiefwasserhafens zu verknüpfen, hallte gestern noch deutlich nach. Fraktionschefin Antje Möller sieht „eine neue Runde im ruinösen Standortwettbewerb“ eröffnet und machte für ihre Partei deutlich: „Eine Elbvertiefung ohne einen Bedarf dafür kann nicht sein.“ Sie sei „ökologisch und ökonomisch unverträglich“, und es müsse „Hamburger Politik sein, diese Unverträglichkeit deutlich zu machen.“ Keine sozialdemokratische Hand regte sich nach Möllers Rede zum Beifall.
Denn die Pflöcke für die SPD hatte Fraktionschef Holger Chris-tier vorher schon eingeschlagen. Wilhelmshaven sei lediglich „Ergänzungshafen für Hamburg“ und die Option auf eine weitere Ausbaggerung der Elbe „unverzichtbar“. Für Möller dagegen ist die Perspektive, Wilhelmshaven werde nur zusätzlich zu Hamburg ein paar weitere Schiffe aufnehmen, „völlig unrealistisch“. Hier entwi-ckele sich ein neuer Universalhafen als direkte Konkurrenz. Solche Fragen zu erörtern seien viel wichtiger, als jetzt noch großartig über die gefällte Standortfrage gegen Cuxhaven zu lamentieren. „Das ist wie das Sich-Werfen hinter einen Zug.“
Dort hinterm Zug war es auch schon ordentlich voll. CDU-Wirtschaftspolitiker Karl-Heinz Ehlers fragte ganz biblisch: „Welcher Teufel hat Runde geritten, sich dem Gabriel zu ergeben und Wilhelmshaven als Standort zu akzeptieren?“ Es sei die erste Großprojektentscheidung, die nicht mehr von Rundes Vorgänger Voscherau gefällt worden sei, und die habe der Bürgermeister gleich „verpennt“. Und sein Fraktionschef Ole von Beust spreizte sich: „Ich jedenfalls bin gewählt, um hamburgische Interessen zu verteten und nicht bremische oder niedersächsische.“
Der Bürgermeister brachte es in seiner Antwort fertig, in seiner Rede die Reizthemen der Koalition Elbvertiefung und Hafenerweiterung auf Moorburg mit keinem Wort zu erwähnen. Das überließ er seinem Wirtschaftssenator. Thomas Mirow (SPD) lehnte alle Vorfestlegungen, auf eine weitere Vertiefung zu verzichten, wie Möller und Norbert Hackbusch vom Regenbogen verlangt hatten, ab.
Für Hackbusch las sich das eindeutig: „Die Elbvertiefung wird hier vorbereitet, das ist der Bruch der Koalitionsverhandlungen.“ Er resümiert: „Die Gigantomanie kennt offenbar keine Grenzen mehr.“ Peter Ahrens
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