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Präsidenten streiten um Flugzeug

Im Streit um das US-Spionageflugzeug in China verschärft sich der Ton. Die Präsidenten George W. Bush und Jiang Zemin stehen sich mit unversöhnlichen Äußerungen gegenüber und heizen damit den Konflikt nur noch weiter an

aus Peking GEORG BLUME

Seit drei Jahren verbindet die Präsidenten Chinas und der USA eine ständig freie Telefonlinie. Jiang Zemin hatte sie mit Bill Clinton eingerichtet und benutzt, als Indien seine Atombombe testete. Nun wäre es wichtiger denn je, dass der chinesische und der amerikanische Präsident zum Hörer greifen. Doch weder Jiang noch Clintons Amtsnachfolger George W. Bush scheint bereit, den sich zur Krise ausweitenden Streit um ein in China notgelandetes US-Aufklärungsflugzeug und einen vermissten chinesischen Piloten zu entschärfen.

Schon stehen Jiang und Bush vor dem persönlichen Zerwürfnis. Denn sie schicken keine Gladiatoren, sondern kämpfen lieber selbst: „Es ist Zeit, dass unsere Soldaten heimkehren. Es ist Zeit, dass die chinesische Regierung uns unser Flugzeug zurückgibt“, donnerte Bush am Dienstag im Weißen Haus. Getern wetterte Jiang wetterte zurück: „Die USA müssen die volle Verantwortung und alle Konsequenzen des Luftzwischenfalls tragen.“ Er forderte zum zweiten Mal eine Entschuldigung der USA. Die aber hatte Bush bereits abgelehnt.

Wie soll das weitergehen? Seit nun vier Tagen sitzen 24 US-Luftwaffensoldaten in einem Hotel auf der südchinesischen Badeinsel Hainan, wo sie am Sonntag nach der Kollision ihres mit modernster Technik ausgestatteten Spionageflugzeugs mit einem chinesischen F-8 Kampfjet notgelandet waren.

Den Soldaten ginge es zwar gut, berichten US-Diplomaten von vor Ort. Doch Beamte im Washingtoner Pentagon betrachten sie inzwischen als Geiseln, da sie aus ihrer Sicht bereits zu lange von den Chinesen festgehalten werden. Schon erinnert man sich in den USA an die Geiselnahme des Botschaftspersonals in Teheran vor mehr als zwanzig Jahren. Zudem ist Washington über die vermutete Ausschlachtung seines Flugzeugs durch chinesische Militärs entzürnt.

Nicht weniger groß ist der Ärger in China. Hier geht es zunächst um den wahrscheinlich ertrunkenen Piloten: Sein Flugzeug wurde laut chinesischer Darstellung von der US-Maschine gerammt. Zum Beweis dafür präsentierten Chinas Zeitungen gestern Großaufnahmen von den beschädigten Propellern des US-Flugzeuges. Ein solcher Schaden konnte angeblich nur entstehen, weil der US-Pilot plötzlich und regelwidrig die Richtung änderte, um den ihn verfolgenden chinesischen Jets zu entkommen, was Washington selbstverständlich bestreitet.

Die weit über Regierungskreise hinausreichende chinesische Empörung gilt aber nicht nur dem Verlust eines Menschenlebens: Sie betrifft die US-Spionagetätigkeit an Chinas Küste überhaupt. „Amerika hat die Souveränität Chinas verletzt. Und der Versuch, diese Tatsache zu vertuschen, zeigt das Gesicht des US-Hegemonismus nur noch deutlicher“, schimpft ein Jurastudent der Pekinger Volksuniversität. Sollten die Präsidenten in den nächsten Tagen weiter streiten wie jetzt, wird ihnen zu Hause die öffentliche Meinung folgen. Für ein klärendes Telefongespräch wäre es dann zu spät.

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