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Grüninnen im Clinch

Landwirtschaftsministerin Künast wirft ihrer Kollegin Höhn in Nordrhein-Westfalen „Panikmache“ bei der Seuchenbekämpfung vor. Höhn weist jede Schuld von sich. Ein pikanter Personalstreit

BERLIN taz ■ Renate Künast hat gestern die grüne Hackordnung wiederhergestellt. Ohne ihre innerparteiliche Kontrahentin namentlich zu nennen, griff sie die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn scharf an. Kurz darauf setzte sich Höhn in einer eigens anberaumten Pressekonferenz zur Wehr.

Der Streit der beiden Ministerinnen entzündete sich an der Frage der Impfungen gegen die Maul- und Klauenseuche (MKS). „Es darf nicht sein, dass über der Debatte ums Impfen die klassischen Maßnahmen vernachlässigt werden“, attackierte Künast gestern die Vorstöße aus Nordrhein-Westfalen. Höhn hatte wiederholt Impfungen verlangt. Mehrmals täglich wiederholte Äußerungen, dass die Seuche näher rücke, trügen zur „Panikmache“ bei, meinte Künast. Das Risiko des Übergreifens auf Deutschland sei aber weiterhin sehr hoch, räumte sie ein. Künast warf dem Bundesland gleich vier Mängel im Umgang mit den bisherigen Verdachtsfällen vor: Erstens seien die betroffenen Höfe nicht entschieden genug abgeriegelt worden. Zweitens würden die Proben von den Tieren nicht schnell genug zur Untersuchung ins Referenzlabor nach Tübingen geschafft: „Es gibt auch Hubschrauber!“, schimpfte die Ministerin. Drittens würden bislang meist nur Blutproben zur Analyse gebracht, obwohl auch Proben von Rüssel und Klauen nötig seien. Schließlich würden die Bauern nicht schnell genug über Ergebnisse informiert.

Höhn wies den Vorwurf der Panikmache zurück. „Ich habe mich sehr zurückgehalten“, sagte sie. Für die Mängel bei der Absperrung des unter MKS-Verdacht stehenden Hofs in Horstmar machte Höhn den Kreis Steinfurt verantwortlich.

Künast selbst will weiter an dem Prinzip von regionalen Notimpfungen nach einem Seuchenausbruch festhalten, nicht aber prophylaktisch impfen. Denn weil sich geimpfte Tiere nicht von infizierten unterscheiden, würde das „eine große Decke über das Virus legen“. Seine Ausbreitung wäre schwerer zu bekämpfen. Höhn erklärte dagegen: „Jeder Tag, an dem wir nicht impfen, ist ein verlorener Tag.“ Der Konflikt der beiden Frauen, der gestern zum ersten Mal offen ausbrach, hatte sich seit langem angedeutet. Innerparteilich gelten beide als Konkurrentinnen. Höhn wird auch von Außenstehenden attestiert, die bessere Wahl für das Bundesministerium gewesen zu sein. Doch Künast als vormalige Parteichefin der Grünen war vor allem mit Hilfe des realpolitischen Flügels um Joschka Fischer und Fritz Kuhn ins Amt des neu geschaffenen Bundesministeriums gelangt. Das Verhältnis von Höhn und Künast galt seitdem intern als gespannt. Der Landesministerin Höhn, die dem linken Flügel zugrechnet wird, war ihr Einsatz gegen die Beteiligung des Nato-Einsatzes im Kosovokrieg von führenden Grünen verübelt worden. SEV, URB

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