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Furcht vor der EU

Die Unionsfraktionen kritisieren die EU-Entwürfe zu Asyl und Familiennachzug. Gegen deutsche Interessen

BERLIN taz ■ Die Unionsparteien im Bundestag greifen die EU-Kommission wegen deren Vorschlägen zur Asylpolitik an.

Die Anfang April von EU-Kommissar Antonio Vitorino vorgelegten Richtlinienentwürfe zu Asyl, Familienzusammenführungen und Bürgerkriegsflüchtlingen „widersprechen dramatisch den deutschen Interessen“, sagte Erwin Marschewski, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gestern in Berlin.

Die Initiativen der EU-Kommission zeigten, so Marschewski und CSU-Kollege Hans-Peter Uhl in einer Stellungnahme, „dass deren Politik auf offensive, interessenunabhängige Zuwanderung ausgerichtet und der Erhalt migrationspolitischer Handlungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten nicht ihr Anliegen“ sei. Die beiden Unionspolitiker warfen der Bundesregierung vor, eine „breite parlamentarische Debatte“ und eine „gesellschaftliche Diskussion“ über dieses Thema zu verhindern. Deshalb wolle die Fraktion mit einem Antrag eine Debatte im Bundestag erzwingen: „Wir wollen strikt zurückweisen, was aus Brüssel kommt“, sagte Uhl. Da mit Inkrafttreten des Amsterdamer EU-Vertrages im Mai 1999 Asyl und Einwanderung keine nationalen Angelegenheiten mehr sind, kommt aus Europas Hauptstadt die Forderung, die Drittstaatenregelung wieder abzuschaffen, die in Deutschland seit 1993 gilt. Demnach werden Asylsuchende nicht aufgenommen, wenn sie aus EU-Ländern oder sicheren, dritten Ländern einreisen. Des Weiteren möchte Brüssel mehr Rechte für die Asylsuchenden, ein dreistufiges Verfahren mit zwei Überprüfungsinstanzen.

Eine Neuregelung des Familiennachzugs ist ebenfalls geplant. Dies könne, so CDU und CSU, „nicht akzeptiert werden“.

Doch die Forderung der Opposition läuft ins Leere, da Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ebenfalls die liberalere EU-Regelung zum Familiennachzug ablehnt. Der dadurch zusätzlich entstehende Einwandererstrom sei „jedenfalls sechsstellig“, ließ der Minister vor einem Jahr wissen. Und gestern nannte es ein Schily-Sprecher „völlig ausgeschlossen“, dass die EU das deutsche Asylrecht kippe. Noch gelte in der Gemeinschaft das Prinzip der Einstimmigkeit. Und daran hat Berlin einen großen Anteil, hatte Deutschland doch beim letzten EU-Gipfel in Nizza verhindert, dass Immigrations- und Flüchtlingsfragen mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden können.

SEBASTIAN FISCHER

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