piwik no script img

Kranke Tiere stehlen Show

EU-Agrarministertreffen in Schweden: Statt der ursprünglich geplanten Skizzierung einer neuen Landwirtschaftspolitik stehen MKS und BSE auf der Tagesordnung. Und interessante Tagesausflüge

aus Östersund REINHARD WOLFF

Am Montagvormittag rauschte die Autokolonne der EU-AgrarministerInnen in mittelschneller Fahrt am Bauernhof von Monica und Hans-Peter Ericsson in Rönningsberg vorbei. Der hier eigentlich geplante Zwischenstopp war der EU-Prozession gestrichen worden. Auch auf dem Hof der Ericssons herrscht strenges Besuchsverbot – wie auf allen schwedischen Bauernhöfen mit theoretisch ansteckungsfähigem Tierbestand.

Die MinisterInnen konnten daher nur aus der Ferne erahnen, wie ein jämtländischer Milchbauernhof von innen aussieht – nicht allzu viel anders als einheimische Ställe. Vielleicht mit der Ausnahme, dass er mit seinen 58 Kühen in Schweden bereits als Großbetrieb gilt. „Unten“ in Europa gelten andere Größenordnungen. Doch eines ist ähnlich: Über 30 Prozent ihres Einkommens erhalten die Ericssons über direkte EU-Subventionen.

„In Östersund haben die Landwirtschaftsminister Richtlinien für eine ethische Landwirtschafts verabschiedet – und für eine Lebensmittelpolitik, die ökologisch, ökonomisch und sozial verantwortlich ist.“ So hatte sich Schwedens Landwirtschaftsministerin Margareta Winberg in einem Interview das Urteil der Nachwelt über dieses „ihr“ Treffen mit den KollegInnen in der Heimatprovinz Jämtland erhofft. Die Diskussionsgrundlagen waren formuliert. Auf einer vorbereitenden Konferenz von Fachleuten in Uppsala waren die Schwächen der jetzigen Lebensmittelproduktionskette herausgearbeitet worden. Etwa die Frage, wie die Entwicklung hin zur jetzigen Agrarindustrie gelaufen ist, welche Probleme diese mit sich gebracht und wie neue Subventionsformen und andere Stützungsmaßnahmen negativen Entwicklungen entgegenwirken können.

Hehre Pläne. Doch Östersund wird einmal nur eine weitere Etappe der langen Bank sein, auf der die Reform verschoben wurde. Tatsächliches Hindernis oder Alibi: BSE und MKS. Zur Freude von Ländern wie Frankreich und Belgien machten die Seuchen der hoffnungsvollen Gastgeberin einen Strich durch die Rechnung. Allenfalls streifen werden die MinisterInnen auf ihrer heutigen Abschlusssitzung die Skizzierung der neuen Agrarpolitik. Im Mittelpunkt steht die MKS.

Es steht nicht zu erwarten, dass Bundesverbraucherministerin Renate Künast ihre Einschätzung vom gestern heute ändern kann: „Eine Chance für eine Einigung auf MKS-Massenimpfungen sehe ich nicht. Aber ich hoffe auf eine Erweiterung der Voraussetzungen für Ringimpfungen.“

Seitens der dänischen Delegation war zu hören, dass auch noch so langen Debatten den eigenen Standpunkt nicht ändern werden. Die Dänen sind gemeinsam mit Irland die entschiedensten Gegner einer veränderten Impfpolitik. Allenfalls wollen sie den Ländern Impfungen zubilligen, in denen die MKS ausgebrochen ist.

Genaue diese Art von Einstellung dürften die wiederholten Anti-EU-Veranstaltungen gemeint haben, mit welchen die AgrarministerInnen in der Nein-Hochburg Östersund – hier stimmten fast 80 Prozent gegen den EU-Beitritt – während ihres dreitägigen Aufenthalts in Jämtland konfrontiert wurden. Eine Kritik, die nicht gerade dadurch gemindert wurde, dass die EU-Agrarminister vier Fünftel der Zeit der rund 3 Millionen Mark teuren Veranstaltung mit Programmpunkten zubrachten, die unter die Stichworte Sightseeing und Unterhaltung fielen. Beschlüsse jedenfalls sind von dem heute zu Ende gehenden Treffen nicht zu erwarten. „Anstatt die Grundlagen im Schneescootersteuern, samischem Essen und Eisfischen zu lernen, hätten die Minister besser die Agrarreform diskutieren sollen“, kommentierte die lokale Östersunds-Posten sauer: „Aber solcher Zeitvertreib ist eben lustiger.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen