piwik no script img

Land baut DDR-Grenzanlagen weiter ab

Bauausschuss gibt grünes Licht für drei Neubauten am Leipziger Platz. Kaphag, IVG und MM-Management errichten Büro- und Wohnhäuser. Grüne und PDS kritisieren: Der Planung fällt letzter Wachturm am Potsdamer Platz zum Opfer

Auf der Großbaustelle am Leipziger Platz wird in den nächsten Jahren noch intensiver gebaut werden. Zu den bereits vorhandenen vier Projekten privater Investoren kommen nun auch die Bauvorhaben der IVG/Botag, der Kaphag und von MM-Management mit Geschäfts- und Wohngebäuden hinzu. Mit den Stimmen von CDU und SPD empfahl gestern der Bauausschuss des Abgeordnetenhauses den Bebauungsplan dem Parlament vorzulegen. PDS und Grüne votierten gegen den Beschluss, fällt doch mit dieser Entscheidung der letzte DDR-Wachturm am Potsdamer Platz den Neubauten zum Opfer. Außerdem warfen sie der Bauverwaltung vor, mit der so genannten „Erklärung zur Planreife“ den veränderten Bebauungsplan am Leipziger Platz ohne eine Bürgerbefragung durchgeführt zu haben.

Die drei Gebäude der Investoren sollen ab 2001/2002 an der Südseite des Leipziger Platzes entstehen und an die Grundstücke von Sony und Knauthe anschließen. Außerdem erhalten die Investoren die Möglichkeit, im rückwärtigen Bereich „mit einer erhöhten Dichte“ weitere Anbauten zu realisieren, so Senatsbaudirektor Hans Stimmann. Am historischen Oktogon Leipziger Platz entstehen auch die kanadische Botschaft, das Haus des ADAC und die Zentale des Deutschen Reisebüros. Offen ist noch das Projekt für das große ehemalige Wertheim-Areal, für das die Oberfinanzdirektion noch Investoren sucht.

Zum Konflikt war es im Ausschuss gekommen, weil die Bauverwaltung in dem geänderten Bebauungsplan – für ebenjene rückseitige Verdichtung –, den Weiterbestand des Wachturms nicht mehr berücksichtigt hatte. PDS und Grüne warfen den Mitgliedern der Regierungskoalition darum vor, sich mit dem Beschluss „für den Abriss von einem der letzten fünf noch existierenden Türme“ entschieden zu haben, so die grüne Bauexpertin Barbara Oesterheld.

Damit werde das Votum des Landesparlaments vom Januar ad absurdum geführt, das sich für den Erhalt des Turmes ausgesprochen hatte und diesen zum Denkmal erklären wollte, erklärte die grüne Politikerin. Oesterheld und Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Partei, forderten den Senat auf, die Planung so zu ändern, dass der „Wachturm an originaler Stelle“ stehen bleiben könne.

Zugleich warfen die Grünen der Bauverwaltung vor, mit dem geplanten Abriss des Wachturms vor den Investoren eingeknickt zu sein. Diese hatten im Falle des Erhalts der DDR-Grenzanlage und fehlender Planreife mit einer Klage gedroht und Forderungen in Millionenhöhe angekündigt. Schließlich forderten die Oppositionsparteien Stimmann auf, grüne Ausgleichsmaßnahmen für die bebauten Grundstücke zur Verfügung zu stellen.

Der Senatsbaudirektor zeigte sich gestern wenig gewillt, die Planung zu ändern, musste aber einräumen, die Bürgerbefragung außen vor gelasssen zu haben. Es bestünden städtebauliche Verträge mit den Bauherren, sagte Stimmann. Die einzige Chance, den Turm zu erhalten, sieht Stimmann darin, Gespräche mit dem Bund aufzunehmen. Dieser besitze das Nachbargrundstück und sei vielleicht bereit, den Turm dort wieder aufbauen zu lassen.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen