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SFOR schickt Oberst nach Den Haag

Der bosnische Serbe Dragan Obrenović wird beschuldigt, an dem Massaker von Srebrenica teilgenommen und später Spuren verwischt zu haben. Das Kriegsverbrechertribunal besteht weiter auf der Auslieferung von Karadžić, Mladić und Milošević

von ERICH RATHFELDER

SFOR-Soldaten haben am Sonntag in Bosnien einen weiteren mutmaßlichen Kriegsverbrecher festgenommen. Dem Obersten der Armee der Republika Srpska, Dragan Obrenović, werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica 1995 zur Last gelegt. Gegen ihn lag eine geheime Anklage des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag vom 9. April vor. Obrenović wurde nach seiner Verhaftung nach Den Haag überstellt.

Der Oberst befehligte 1995 eine Brigade seiner Armee in der ostbosnischen Gemeinde Zvornik, die an Massenmorden beteiligt gewesen sein soll. Im Juli 1995 ermordeten serbisch-bosnische Truppen nach unterschiedlichen Angaben 7.000 bis 8.000 Menschen, die aus der Enklave Srebrenica fliehen wollten. Bei der Exhumierung der Leichen wurde festgestellt, dass die Toten nicht, wie von serbischer Seite behauptet, im Kampf gefallen sind, sondern viele mit Stacheldraht gefesselt regelrecht hingerichtet wurden.

Obrenović soll zudem im Herbst 1995 bei der Beseitigung von Spuren der Morde mitgeholfen haben. So sollen unter seinem Befehl die im Juli angelegten Massengräber wieder geöffnet und die Leichen zu anderen Massengräbern verbracht worden sein. Deshalb beziehe sich die Anklage auch über den Zeitpunkt des Massakers von Srebrenica im Juli 1995 hinaus, erklärte die Sprecherin des Tribunals, Florence Hartmann, gegenüber der taz. Wegen der Massenmorde vom April 1992 in Zvornik wird Obrenović nach bisherigen Informationen nicht angeklagt. 1992 wurden dort tausende von Menschen in Konzentrationslager verschleppt und mehrere hundert ermordet.

Nach serbischen Angaben wurde der Oberst in Kozluk bei Zvornik von mehreren Männern in Zivilkleidung gefasst und in einem Auto weggefahren. Soldaten der SFOR sicherten das Greifkommando. Anschließend brachten die Männer Obrenović über die Demarkationslinie in die bosniakisch-kroatische Föderation, wo schon ein Flugzeug wartete.

Auch andere mutmaßliche Kriegsverbrecher müssten mit ihrer Verhaftung rechnen, erklärte Tribunalsprecherin Hartmann. So fordere das Tribunal nachdrücklich, dass der ehemalige Serbenführer Radovan Karadžić und sein Armeeschef Ratko Mladić dem Gericht überstellt werden. Sie gelten als die Hauptverantwortlichen für die Massenmorde in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995.

Über die gegenwärtigen Aufenthaltsorte von Mladić und Karadžić werden jedoch von Seiten der Nato keine Informationen an die Öffentlichkeit gegeben. Sie dürften aber den Geheimdiensten bekannt sein. Mladić, der noch bis Februar dieses Jahres unbehelligt in Belgrad lebte, ist nach Angaben des serbischen Innenministeriums geflohen. Karadžić, dessen Familie ein Fuhrunternehmen in Niksic in Montenegro betreibt, hat sich nach Augenzeugenberichten in den letzten Jahren im bosnisch-montenegrinischen Grenzgebiet aufgehalten. In Serbien und Montenegro ist das Tribunal auf die Zusammenarbeit mit den Behörden angewiesen. „Nur im Zusammenwirken mit den örtlichen Behörden können dort Verhaftungen vorgenommen werden“, sagte Hartmann.

Im Falle des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milošević werde das Tribunal beharrlich auf der Auslieferung nach Den Haag bestehen, erklärte Hartmann. „Es gibt keine großen und kleinen Fische. Es gibt nur Angeklagte, die Verbrechen beschuldigt werden. Nur vor Gericht kann ihre Schuld oder Unschuld festgestellt werden.“ Chefanklägerin del Ponte wird im Juni wieder nach Belgrad reisen, um über die Auslieferung Milošević’ zu verhandeln.

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