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„Der Teufelskreis des Krieges“

Im Kongo, vor allem im Rebellengebiet, werden die natürlichen Ressourcen von ausländischen Armeen „systematisch ausgeplündert“, berichtet eine UN-Untersuchungskommission und empfiehlt Sanktionen gegen die daran beteiligten Länder

von DOMINIC JOHNSON

„Der Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) dreht sich hauptsächlich um Zugang zu, Kontrolle von und Handel mit fünf mineralischen Ressourcen: Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold.“ Dies ist die Kernaussage eines Untersuchungsberichts zur „illegalen Ausplünderung der natürlichen Ressourcen der Demokratischen Republik Kongo“ (DRC), der am Montag in New York vom UN-Generalsekretariat veröffentlicht wurde. Der Bericht liegt jetzt dem UN-Sicherheitsrat vor.

„Die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen der DRC durch ausländische Armeen ist systematisch und systemisch geworden“, analysiert der Bericht. Er behandelt vor allem die Lage im Osten des Kongo, wo die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) und die von Uganda unterstützte MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) regieren. „Plünderung und die Bildung von Verbrecherkartellen werden in den besetzten Gebieten (gemeint sind die Rebellengebiete, d. Red) alltäglich. Diese Verbrecherkartelle haben Erweiterungen und Verbindungen weltweit, und sie stellen das nächste ernste Sicherheitsproblem in der Region dar.“

Konkreter heißt es: „Die Folgen illegaler Ausbeutung sind zweierlei gewesen: a) massive Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen für Ruandas Armee und die individuelle Bereicherung höchster ugandischer Militärkommandanten und Zivilisten; b) die Herausbildung illegaler Netzwerke, geleitet entweder von höchsten Militäroffizieren oder Geschäftsleuten.“

Bei Ruanda geht es dabei vor allem um den Handel mit Colombo-Tantalit (Coltan), aus dem die für die Kommunikationstechnologie wichtigen Mineralien Tantalum und Niobium gewonnen werden. Ruandas Armee habe daran „über einen Zeitraum von 18 Monaten mindestens 250 Millionen Dollar verdient“, schätzt der Bericht. „Dies reicht, um den Krieg zu finanzieren. Hierin liegt der Teufelskreis des Krieges. Coltan hat der ruandischen Armee die Fortdauer ihrer Präsenz in der Demokratischen Republik Kongo ermöglicht. Die Armee hat Individuen und Firmen, die das Mineral extrahieren, Schutz und Sicherheit gegeben. Diese haben Geld verdient, das mit der Armee geteilt wird.“

Ruandas Armee arbeite dabei in Symbiose mit ihren Kriegsgegnern – den ruandischen Hutu-Milizen und den kongolesischen Mayi-Mayi-Milizen. „Ruandas Armee greift ein Gebiet zwei Tage lang an und zieht sich dann zurück. Nach unseren Quellen scheinen diese Angriffe mit den Zeiten zusammenzufallen, in denen Coltan gefördert und zwecks Abtransport durch Mayi-Mayi-Milizen abgefüllt worden ist. Die angegriffenen Mayi-Mayi lassen ihr Coltan zurück, das dann in kleinen Flugzeugen abtransportiert wird.“

In manchen Gebieten würden auch Mittelsmänner für den Kauf von Coltan von diesen Milizen eingesetzt. Das Coltan werde aus dem RCD-Gebiet über Ruanda und Tansania exportiert. Der Bericht nennt als wichtigste daran beteiligte ausländische Firmen die belgische Sabena-Cargo und eine Tochter des französischen Konzerns Bolloré.

Uganda, so der Bericht, verdient am Kongo vor allem über Steuereinnahmen aus dem Reexport kongolesischer Rohstoffe. „Zwischen 1998 und 2000 sind etwa 1.800 Lastwagen mit Baumstämmen, Hölzern, Kaffee, medizinischen Baumrinden, Kassiterit, Pyrochlor, Eisenerz, Tee und Quinin durch Uganda passiert“, heißt es in dem Bericht. Dies bringe Uganda „mindestens fünf Millionen Dollar jeden Monat“.

Über ähnlich gelagerte Aktivitäten der Regierung Kabila, an denen Angola, Simbabwe und Namibia beteiligt sind, ist der Bericht sehr viel zurückhaltender. Der ermordete Präsident Laurent Kabila habe viele der kritisierten Praktiken im Kongo eingeführt, und Kongos Regierung „verlässt sich auf ihre Bergbauindustrie, um den Krieg zu finanzieren“, heißt es. Detailliert werden einige Aktivitäten simbabwischer Geschäftsleute wie des Weißen Billy Rautenbach beleuchtet. Dabei wird eine direkte Verbindung zur Ermordung Kabilas im Januar nahe gelegt. Der habe Rautenbachs Firmengruppe KMC eine Kupfer/Kobalt-Konzession versprochen: „Verschiedene Minister hatten die Konzession zwei Tage vor der Ermordung des Präsidenten Laurent Kabila unterzeichnet; nur seine Unterschrift fehlte.“ Sie sei bis heute nicht erfolgt.

Die Schlussfolgerungen des Berichts sind sehr einseitig und treffen allein Kongos Rebellen und ihre Unterstützer. „Der Sicherheitsrat sollte sofort ein befristestes Embargo auf den Import oder Export von Coltan, Niobium, Pyrochlor, Kassiterit, Holz, Gold und Diamanten von oder nach Burundi, Ruanda und Uganda verhängen“, verlangt der Bericht. „Jedes Land, das dieses Embargo bricht, sollte mit Sanktionen rechnen.“ Guthaben weiterhin beteiligter „Firmen oder Individuen“ sollten eingefroren werden. Hingegen solle die UNO Kongos Regierung „helfen, die nötigen Bedingungen für die Ausbreitung staatlicher Autorität und Sicherheit über ihr Staatsgebiet einzurichten“.

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