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Warten auf die Phantomkinder

Als die „Etireno“ in der Nacht in Benin landete, gab es von den angeblich 250 Sklavenkindern an Bord keine Spur. Wurden zwei Schiffe verwechselt?

aus Cotonou HAKEEM JIMO

Am Montagabend ging ihre Odyssee zu Ende. Die 120 Passagiere der „Etireno“ waren bereits seit mehreren Tagen auf der kleinen Fähre unterwegs, nur um wieder in ihrem Ausgangsort anzukommen – Cotonou, Hauptstadt von Benin.

Am 30. März waren sie von Cotonou losgefahren – 139 Passagiere laut der offiziellen Passagierliste, darunter 7 Kinder – 120, darunter 23 Kinder, hieß es bei der Ankunft zurück in Cotonou. Ihr Zielland war das reiche zentralafrikanische Gabun gewesen.

Aber als die Frauen, Männer und Kinder den Hafen des zentralafrikanischen Landes erreichten, durften sie nicht an Land. „Polizisten auf Patrouillenbooten richteten ihre Gewehre auf uns und sagten, wir sollten umkehren“, sagt Omolade Banjo, ein Crewmitglied des Schiffes, das unter nigerianischer Flagge fährt. „Wir konnten denen nicht einmal klarmachen, dass wir kaum noch Diesel in unseren Tanks hatten. Davon wollten sie nichts wissen.“

Die gabunischen Behörden waren alarmiert, dass die Fähre „Etireno“ eines jener berüchtigten Schiffe für Menschenhandel sei, wie sie zu Hunderten an Westafrikas Küsten kreuzen. Aufgeschreckt durch entsprechende Berichte des britischen Rundfunks BBC wollten Gabuns Sicherheitskräfte verhindern, dass die vermeintlichen 250 nigerianischen Sklavenkinder an Bord an Land kommen. Die ehemals dänische Fähre mit dem damaligen Namen „Nordy“ musste umdrehen und der Kapitän entschied sich, den nächsten Hafen anzulaufen. Das war Duala in Kamerun. „Unterwegs hörten wir, dass sie nach uns suchen. Dabei wussten sie genau, wohin wir wollten. Wir hatten ja keine Wahl“, sagt Banjo.

Während die ungewisse Schiffsfahrt weiterging, überschlugen sich die Meldungen in den Medien. „Wir hörten sogar, dass sie glaubten, wir würden Menschen über Bord werfen. Dabei kann sich jeder davon überzeugen, was wir wirklich geladen hatten“, so Banjo.

Das taten Vertreter des UN-Kinderhilfswerks Unicef auch sofort, als das Schiff in der Nacht zu gestern wieder an seinem Ausgangspunkt in Benin ankam. Auf Bug und Heck des 40 Meter langen Bootes stehen sieben Autos und ein Dutzend Geländemotorräder. Der Bauch der Fähre ist bis unter die Decke mit Säcken, Kanistern und Koffern zugepackt. Da, wo sonst auch noch Autos stehen, können sich Passagiere nur seitlich entlangdrängen, so dicht ist jeder Kubikzentimeter mit Ladung belegt. Oben kommt nicht einmal mehr ein Lichtstrahl durch.

Auch in den Passagierräumen ist es zu eng: Es sind vielleicht 50 Sitze montiert, unkomfortable Schalensitze für kurze Überfahrten, wie es sie in Dänemark gibt. Aber diese Schiffsreise in Afrika dauert nicht weniger als drei Tage. Auch ist die Fähre nicht hochseetauglich – obwohl jedes Schiff im Golf von Guinea mit großer Wahrscheinlichkeit in ein Unwetter gerät.

Auf der Rückfährt von Duala, wo sie Diesel getankt hatte, um wieder die Heimreise nach Coronou zu schaffen, kam die Fähre in zwei Stürme. Die Crew sagt, dass dieses Schiff der sicherste Transport zu Wasser nach Gabun sei. Rettungsboote gibt es oben an Deck, doch die morsche Holztreppe ist gefährlich. Ein Mitglied der Besatzung sagt, dass die Schiffe für Menschenhandel weitaus kleiner wären – umgebaute Fischerboote aus Holz, nicht aus Stahl wie die „Etireno“.

In der Überzeugung, es bei der „Etireno“ mit einem Schiff voller Kinder zu tun zu haben, hatte das UN-Kinderhilfswerk Unicef im Hafen von Cotonou ein Auffanglager eingerichtet. Doch als das Schiff sich dann als ganz normales Migranten- und Händlerschiff entpuppte, war die Konfusion groß. Vertreter der Hilfswerke und der Regierung überlegten, das Schiff mit 250 Kindern gebe es vielleicht tatsächlich – aber es irre immer noch irgendwo umher. „Es ist eine Tatsache, dass viele Schiffe an der westafrikanischen Küste entlangschippern, auf denen sich Kinder befinden, die Opfer von Kinderhandel sind“, sagte die Unicef-Vertreterin in Benin, Esther Guluma.

Ob es nun ein zweites Schiff mit 250 Kindern gibt, konnte gestern niemand bestätigen noch dementieren. Aber die Passagiere der „Etireno“ können mit solchen Theorien wenig anfangen. Sie haben erst mal andere Sorgen. Denn nachdem sie alle wieder da sind, von wo sie einst aufgebrochen waren, wissen viele noch nicht, was sie machen sollen. „Wir wollten Arbeit in Gabun suchen und haben unser gesamtes Erspartes für diese Reise aufgebraucht“, schimpft ein Passagier. Eine Frau neben ihm, mit einem Säugling auf dem Rücken, wollte zu ihrem Verlobten reisen. Nun waren sie alle umsonst auf See.

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