: Das Recht auf Arbeit
Sozialsenatorin Roth geht auf Distanz zu Plänen der Bundesregierung, Druck auf Arbeitslose zu verschärfen. Kiel ist kanzlertreuer ■ Von Peter Ahrens
Bevor Karin Roth (SPD) Sozialsenatorin wurde, war sie beim Deutschen Gewerkschaftsbund beschäftigt. Zuweilen fällt ihr das wieder ein. Als sie gestern den Hamburger Arbeitsmarktbericht für die vergangenen drei Jahre vorstellte, ging sie auf deutliche Dis-tanz zum Parteifreund Gerhard Schröder. Dessen Satz „Niemand hat ein Recht auf Faulheit“ und die Bestrebungen der Bundesregierung, gegen arbeitslose Menschen vorzugehen, die die Schröder-Regierung als „arbeitsunwillig“ abtut, kommentierte sie: „Es geht nicht um ein Recht auf Faulheit, sondern um ein Recht auf Qualifizierung.“ Das ebenfalls rot-grün regierte Schleswig-Holstein dagegen schlägt ganz im Sinne des Bundeskanzlers eine scharfe Tonart an.
Die Sozialsenatorin zeigte sich „überrascht von den Tönen“ aus Berlin, „die gar nicht in das passen, was wir planen“. Der Bundesregierung gab sie den Rat, „erst einmal genauer hinzugucken, was in den Ländern so praktiziert wird, bevor man an die Öffentlichkeit geht“. Zum Beispiel könne der Bund doch ruhig „das Hamburger Modell übernehmen“.
Rückendeckung für ihre Kritik erhielt sie vom Personalleiter des Otto-Versandes, Gerd Knop: „Es gibt noch so viele Arbeitslose, die Arbeit suchen – um die sollten wir uns erst einmal kümmern.“ Der Otto-Versand gehört zu den gut 20 Hamburger Unternehmen, die in der „Initiative für Beschäftigung“ bewusst auch Langzeitarbeitlose, die älter als 45 Jahre sind, einstellen. 100 dieser Menschen haben dadurch nach teilweise jahrelanger Erwerbslosigkeit wieder einen Arbeitsplatz gefunden.
Aus Kiel klingt es derweil anders. SPD-Sozialministerin Heide Moser will Arbeitslosen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, die Bezüge kürzen. „Wir müssen das versuchen, auch wenn es schwierig ist, das juristisch und verwaltungstechnisch umzusetzen“, sagt sie. Die Arbeitsverwaltung müsse Sanktionen aussprechen, wenn jemand einen Job nicht übernehmen wolle.
Dass man auch mit den herkömmlichen Mitteln Arbeitslosigkeit senken kann, macht der Hamburger Arbeitsmarktbericht deutlich. Um 28.000 ist die Zahl der Arbeitslosen seit Januar 1998 gesunken, die Jugendarbeitslosigkeit ging um 37 Prozent zurück, die von langzeitarbeitlosen um 33, die von Frauen um 28 Prozent.
Trotzdem ist es kein Jubelbericht, den Karin Roth da gestern präsentierte: Denn Nicht-Deutsche haben es in der Hansestadt immer noch extrem schwer, Arbeit zu finden. „Hier sehen wir eine Schwachstelle“, räumte die Arbeits- und Sozialsenatorin ein. Ihr Anteil an der Arbeitslosenstruktur sei „weiterhin deutlich überrepräsentiert“. Fast ein Viertel der Menschen ohne Arbeit in Hamburg stammen nicht aus Deutschland.
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