piwik no script img

WegweisungsrechtZurück zu Muttern

■ Öffentliche Debatte: Polizei und Justiz sind bei häuslicher Gewalt oft machtlos

Nicht Parks, Straßenbahnen oder schmuddelige Unterführungen sind gefährliche Orte für Frauen, sondern oft das eigene Zuhause. Wenn der Göttergatte zum Schläger wird, stehen Polizei und Justiz jedoch bislang häufig ziemlich zahnlos da. Deshalb berät der Bundestag derzeit über ein Gewaltschutzgesetz, dass Schläger ächten soll. Darin eingeschlossen: Das Wegweisungsrecht. Auf eine Formel gebracht: „Wer schlägt, fliegt raus“. In der Bürgerschaft diskutierten jetzt Experten, was es damit auf sich hat.

„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ – so reagierte die Bremer Polizei noch vor Jahren, wenn sie es mit häuslicher Gewalt zu tun hatte – und zog ab. „Häufig wurde der Strafantrag auch von den Frauen zurückgezogen. Am nächsten Wochenende ging's dann wieder rund“, berichtet Petra von Anken von der Bremer Landesfrauengruppe der Gewerkschaft der Polizei. Heute habe sich vieles verändert. Die Bremer Polizisten würden seit Anfang vergangenen Jahres für Konfliktfälle im häuslichen Bereich geschult. „Aber uns fehlt häufig noch das Handwerkszeug, die Frauen wirklich zu schützen.“ Der einfache Platzverweis, den die Polizei bislang aussprechen darf, reiche nicht aus.

Nur wenig später darf der Mann wieder nach Hause: Es droht Prügelgefahr. Petra van Anken: „Der Platzverweis bietet den Opfern kaum Schutz. Die Konfliktschlichtung dauert nicht nur ein paar Stunden, sondern oft Monate, wenn nicht Jahre.“

Genau hier soll das Wegweisungsrecht greifen: Bis zur Entscheidung eines Gerichts soll der Mann die Wohnung nicht wieder betreten dürfen, so der Gesetzentwurf.

Ausgerechnet Mecklenburg-Vorpommern ist Vorreiter in Sachen Frauenschutz. Seit drei Jahren arbeitet Claudia Igney im Rostocker Interventionsprojekt „Cora“ auf Grundlage des Wegweisungsrechts. „Cora“ agiert aber noch allein unter grosszügiger Auslegung des geltenden Landesrechts. Im Klagefall eine wackelige Konstruktion. Igney: „Das Wegweisungsrecht wäre ein Meilenstein für uns: Es rührt an die Grundfesten des Patriarchats, den Herrn des Hauses zu verweisen.“ Jetzt baut sie ein landesweites Netz von Anlaufstellen auf.

Igney räumt mit vielen Mythen auf: „Nicht die Nachbarn, sondern die Frauen selbst rufen bei der Polizei an. Und: In 97 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt bedeutet das Gewalt gegen Frauen.“ Österreich war das erste Land, das das Wegweisungs-recht einführte. Dort wurde deutlich, dass die Männer den Anweisungen der Polizei tatsächlich folgten, nicht mehr nach Hause zu kommen. Gewalttätige Männer sind meist sehr autoritätshörig. Meist kamen sie bei ihren Müttern unter.

Frauensenatorin Hilde Adolf warnte davor, das Wegweisungs-recht einfach jetzt schon im Bremer Polizeigesetz zu verankern: „Wir sollten auf die Bundesregelung warten, sonst fehlen uns die zivilrechtlichen Grundlagen.“ Als Anwältin sei sie selbst schon vor Gericht damit gescheitert, geschlagenen Frauen die Ehewohnung zu sichern. Wichtig, so Adolf, sei es, die Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu verändern. Gewaltfreie Erziehung müsse schon in der Schule anfangen. Aber: „Wir werden es wohl leider nicht mehr erleben, dass wir nicht mehr über das Thema sprechen müssen.“ ksc

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen