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Alles eine Frage der Nase

■ Drei Polizisten sollen auf dem Freimarkt einen Kosovo-Albaner krankenhausreif geschlagen haben / Knapp zwei Jahre später leiden die Beteiligten an Gedächtnisschwund

Haben drei Polizeibeamte auf dem Freimarkt 1999 den Kosovo-Albaner Kol C. krankenhausreif geprügelt? Wie schwer es ist, diese Frage heute zu beantworten, zeigte gestern der erste Prozesstag am Amtsgericht. Diverse Gedächtnislücken und widersprüchliche Aussagen aller Zeugen, vor allem aber des Betroffenen selbst, machten das Verfahren zeitweise zur Farce.

Kol C. blieb jedoch beim Kern seiner Aussage: In der Nacht vom 23. zum 24. Oktober 1999 hätten ihn die Beamten auf der Wache an der Bürgerweide mehrfach mit Kopf und Körper gegen die Wand gestoßen und ihn in gefesseltem Zustand so stark getreten, dass er eine Nasenbeinfraktur erlitt. Außerdem hätte ihn einer der drei Beamten, von denen er bei der Verhandlung nur noch zwei erkannte, mit einer Taschenlampe auf den Kopf geschlagen. Wegen der Verletzungen hätte der Asylbewerber zwei Wochen im Krankenhaus verbringen müssen und seitdem „jeden Respekt vor der Polizei verloren.“

Am Freimarkt-Abend war der Asylbewerber Kol C. in Halle 6 des Freimarktes den Wachleuten aufgefallen, als er nach dem sechsten Bier randalierte und pöbelte. Nach dem zweiten Platzverweis zogen ihn die Wachleute zu einem Noteingang.

Als der heute 21-Jährige hier plötzlich eine Wasserspritzpistole aus seinem Mantel zog, schlug ihn ein Wachmann mit der Faust zu Boden. Der hatte geglaubt, das Spielzeug sei echt, und „gut zugelangt“, wie ein Kollege beschrieb. Kol C.s Gesicht soll nach dem Fausthieb mit Blut beschmiert gewesen sein.

Dann wurde Kol C. von zwei der beschuldigten Polizisten zur Feststellung der Personalien und zur Ausnüchterung auf die Wache gebracht. Schon auf dem Weg sollen ihn die Polizisten drangsaliert haben, um ihn später in Anwesenheit anderer Beamter regelrecht zu verdreschen.

Bis zur Aussage des Sanitäters Milko Hoffmann sprach vieles gegen diese Beschuldigungen – insbesondere Kol C. hatte sich mehrfach, auch gegenüber vorherigen Befragungen, widersprochen. Der Sanitäter jedoch, der Kol C. vor und nach seinem Aufenthalt bei der Polizei untersucht hatte, behauptete im Zeugenstand, „vor der Wache war seine Nase leicht geschwollen, nach der Wache stand die Nase des Patienten schief.“

Die Anwälte der beklagten Beamten versuchten, die Vorwürfe des Kosovo-Albaners als Retourkutsche für andere polizeiliche Ermittlungen wegen Kol C.s Drogenkarriere darzustellen. „Prozesskos-tenhilfe braucht der nicht, der verdient genug mit Koks und Heroin“, behauptete ein Anwalt. Gegenüber der taz gab Kol C. zu, tatsächlich bereits drei Mal wegen Drogenmiss-brauchs verdächtigt worden zu sein.

Die beschuldigten Bremer Beamten, Familienväter zwischen 39 und 43 Jahren, stritten die Vorwürfe rundweg ab. Der Angeklagte G. betonte, er wisse nicht mehr, wie er weiter seinen Dienst ausüben solle, „wenn sich ständig jemand solche Geschichten ausdenkt und die Kinder fragen, ob ich das war.“

Kol C. hätte sich seine Verletzungen schon vor dem Aufenthalt auf der Polizeiwache zugezogen, behaupteten die Beamten. Sie hätten den Mann nicht tätlich angegriffen, ihn allerdings auf dem Weg zur Wache stützen müssen, da er stark angetrunken gewesen war. Auf die drei angeklagten Polizisten wartet im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe sowie eventuell ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Amtsenthebung. ksc

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