: Von der Haushalts- zur Wissenslücke
■ Finanzkrise der Staatsbibliothek: Das Land will nicht alles zahlen / Uni wollte sich mit Studiengebühren behelfen
Das Semester hat gerade erst begonnen, da droht den Studierenden schon Ungemach: Die Staats- und Universitätsbibliothek steht kurz vor dem finanziellen Kollaps. Wenn nicht schnell eine Lösung gefunden wird, werden sich schon zu Semesterende Lücken im Zeitschriftenregal auftun.
Dabei ist das Problem seit langem bekannt: „Schon seit 1995 weise ich immer wieder auf ein strukturelles Defizit in Höhe von 15 Prozent unseres Etats hin“, sagt Direktorin Annette Rath-Beckmann. Bisher hat sie steigende Kosten für wissenschaftliche Zeitschriften aufgefangen, indem sie weniger Bücher angeschafft hat. Aber nun ist das Ende der Fahnenstange erreicht: Aus dem letzten Jahr schleppt sie unbezahlte Rechnungen in Höhe von 750.000 Mark mit. In Zukunft fehlen sogar 1,8 Millionen Mark jährlich. Das liegt einerseits daran, dass die großen Zeitschriftenverlage mit den Preisen kräftig angezogen haben. Hinzu kommen jährlich 400.000 Mark Mehrkosten durch den schwachen Euro-Kurs: 60 Prozent der Zeitschriften kommen aus dem anglo-amerikanischen Raum und müssen mit teuren Pfund oder Dollar bezahlt werden. Schließlich reißt auch das zusätzliche Angebot elektronischer Ausgaben ein Loch in den Anschaffungsetat. Wurde dafür 1997 noch keine Mark ausgegeben, sind es heute 700.000.
Die Frage ist jetzt, wer die Mehrkosten übernimmt. Bisher wird die Bibliothek aus dem Landeshaushalt finanziert, weil sie auch Staatsbibliothek ist. Aber damit soll nun Schluss sein: Wenn es nach Bildungssenator Willi Lemke (SPD) geht, müssen die Hochschulen die Finanzierungslücke zur Hälfte selbst schließen. Nur dann will er außer der Reihe 900.000 Mark bewilligen. Die Uni, auf die nach dieser Rechnung mit 600.000 Mark der Löwenanteil entfiele, ist mit ihrem Finanzierungsvorschlag allerdings gescheitert. Rektor Jürgen Timm wollte die Hälfte in seinem Etat einsparen. Der Rest sollte durch neue Benutzungsgebühren hereinkommen, der Löwenanteil aus den Taschen der Studierenden. Ein „Tabubruch“, wie Timm zugibt. Aber im Akademischen Senat ist der Plan knapp gescheitert. Im Gegenteil, eine Belastung der Studierenden wurde sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Nur die Professoren müssen künftig in die Tasche greifen.
AStA-Vertreter Nils Stegemann ist zufrieden: „Das wäre die Einführung von Studiengebühren durch die Hintertür gewesen.“ Er kann sich schon ausmalen, was danach käme: „Wenn die Renovierung des GW2 teurer wird, kommt als nächstes die GW2-Nutzungsgebühr, wenn wir Computer wollen, dann nur gegen eine Computer-Nutzungsgebühr.“ Für ihn liegt der schwarze Peter bei der Politik, die eine angemessene Ausstattung für ihre Staatsbibliothek sicherstellen müsse. Genauso sieht das der grüne Bürgerschaftabgeordnete Hermann Kuhn. Benutzungsgebühren seien eine „Strafe für arme Studierende“, das Land könne schließlich nicht das Nichtbenutzen von Büchern belohnen. Deshalb wird Kuhn morgen in der Bildungsdeputation beantragen, dass das Land zwei Millionen Mark aus dem Investitionssonderprogramm bewilligt: „Schließlich wäre das eine Zukunfts-Investition im besten Sinne.“ Und für die folgenden Jahre will Kuhn einen „auskömmlichen Haushaltsansatz“ für die Bibliothek garantiert wissen. „Man kann nicht neue Highlights schaffen, und gleichzeitig die Basis vernachlässigen.“
Bibliotheks-Chefin Rath-Beckmann gibt ihm recht: „Unsere Ausstattung hat mit dem Ausbau der technisch-naturwissenschaftlichen Fachbereiche nicht Schritt gehalten.“ Wenn es nicht bald eine Lösung gibt, wird sie genau dort einsparen müssen, denn die ingenieurwissenschaftlichen Zeitschriften sind mit Abstand am teuersten. Wenig zukunftsweisend erscheint dagegen ein Vorschlag, der aus dem Professorenlager im akademischen Senat kam: „Warum bestellen wir nicht die elektronischen Ausgaben wieder ab? Das ging doch früher auch ohne.“ Jan Kahlcke
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