: „Kriegsrecht für Kreuzberg“
Gewerkschaft der Polizei, Grüne und PDS üben scharfe Kritik an der harten Linie des Innensenators für den „Revolutionären 1. Mai“ in Kreuzberg. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky schließt die hermetische Abriegelung einzelner Bereiche nicht aus
von ANDREAS SPANNBAUER
Für Eberhard Schönberg, den Berliner Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, sind sie „wie Kriegsrecht“: die Ankündigungen von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky zur Einsatzplanung am 1. Mai. Man fühle sich, so Schönberg, an die Verhältnisse in Bosnien erinnert. „Es fehlt nur noch: Wer nach 22 Uhr ausgeht, wird erschossen.“ Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Wieland, spricht von einem „mentalen Belagerungszustand“, den der Polizeipräsident herbeirede. Und der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich erklärt schlichtweg: „So nicht, meine Herren!“ Das Auffahren eines „polizeistaatlichen Arsenals“, sagt Zillich, würden nicht zu einer Normalisierung des 1. Mai beitragen.
Ursache des Ärgers ist die Ankündigung von Polizeipräsident Saberschinsky, das Verbot der abendlichen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ in Kreuzberg mit Ausweiskontrollen und Platzverweisen mit aller Härte durchzusetzen und unter Umständen einzelne Bereiche hermetisch abzuriegeln. „Täter oder Störer“, so Saberschinsky, würden die volle Strenge des Gesetzes zu spüren bekommen.
Auch in der Polizei stößt der harte Kurs gegenüber den linksradikalen Demonstranten auf harsche Kritik. „Ein Großteil der Praktiker innerhalb der Polizei ist mit dem Verbot der abendlichen Demonstration in Kreuzberg nicht glücklich“, beschreibt GdP-Chef Schönberg die Stimmung in den Einsatzzentralen. Er rechnet damit, dass Gewalttäter durch das Verbot erst motiviert werden. Zudem seien die Demonstrationen selbst in den vergangenen Jahren „weitestgehend friedlich“ verlaufen. Erst nach dem Ende der Veranstaltungen seien in der Dunkelheit die Straßenschlachten ausgebrochen. „Und das ist mit einem Verbot auch nicht auszuhebeln.“ Zudem sei eine Kooperation mit den Veranstaltern durchaus möglich, „auch wenn man sich nicht liebt“. Aktivisten würden sich durch ein Demonstrationsverbot ohnehin nicht von Straftaten abhalten lassen. Auch in der zuständigen Polizeidirektion 5 sieht man in der Entscheidung eine „Einladung für Chaoten“.
Die politische Botschaft, die von den Ankündigungen ausgeht, hält Schönberg für verheerend. Auch Grünen-Fraktionschef Wieland befürchtet einen „innenpolitischen GAU“, falls die rechtsextreme NPD marschieren darf und das Verbot der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) durch das Verwaltungsgericht bestätigt werden sollte. Wieland rief dazu auf, die Eskalation zu durchbrechen und die Worte der AAB von einem „Ende der Gewalt“ ernst zu nehmen und auf die Probe zu stellen. Im gegenteiligen Fall fürchtet er, dass bei der explosiven Gemengelage alle Differenzierungsprozesse in der autonomen Szene hinfällig werden: „Am Ende heißt es wieder: Deutsche Polizisten schützen die Faschisten.“
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