piwik no script img

alles verbietenNachtwächter Werthebach

Wenn in der ersten Mainacht wieder Randale Kreuzberg oder Prenzlauer Berg erschüttert und Nazis durch die Straßen pöbeln, können sich alle bei Innensenator Werthebach für die bürgerkriegsähnlichen Zustände bedanken. Sind sie doch der letzte Beweis dafür, dass Innenpolitik vom Standpunkt eines kategorischen Demonstrationsverbieters nicht funktioniert. Schon jetzt ist klar und wird selbst von der Polizei kritisiert, dass bloßes Einschränken des Versammlungsverbots aus falschem politischem Kalkül ins pure Gegenteil umschlägt: durch gerichtlichen Beschluss, durch provozierte Antifas und Ausnahmezustandsaktivisten.

Kommentarvon ROLF LAUTENSCHLÄGER

Dass Werthebachs Strategie zur Einschränkung des Demonstrationsrechts fern jeder Realität liegt und den eigentlichen Schaden für die Stadt bedeutet, hat sich bereits bei den Chaostagen im Amt zur Love Parade gezeigt. Bis dato streitet man sich über den Termin und die Route und erste Wummwumm-DJs haben ihre Absage erteilt. Die Welt und auch Berlin lacht über diese provinzielle Posse. Nur in Werthebachs Bürostube ist der Ruf noch nicht durchgedrungen. Sitzt er doch hinter geschlossenen Fenstern und studiert Gesetzesblätter, um erst mal alles zu verbieten.

Wenn nun Gerichte die NPD marschieren lassen, kommt das der zweiten Niederlage einer Blockadelinie gleich, die nur mehr Widerstand provoziert – und auf das uneingeschränkte Demonstrationsrecht pocht. Nicht anders wird es dem Innensenator bei den 1.-Mai-Demonstranten gehen und bei allen anderen Gruppen auch. Eine Stadt lässt sich nicht per Verbotsdekrete und Polizeikessel regieren und schon gar nicht sichern. Lernt Werthebach das nicht, muss er gehen.

Und überhaupt: Nicht auf den letzten Mai-Kundgebungen ist es zu Randale gekommen, sondern erst in den Nachtstunden hinterher. Erst da haben sich Polizei und vermummte Aktionisten in dümmlichen Gewaltritualen abreagiert. Für den Innensenator aber ist die Eskalationsstrategie der Polizei ebenso wenig ein Thema wie die soziale Ursachenforschung. Werthebach sitzt lieber am Schreibtisch und betrachtet Innenpolitik aus der Perspektive des Nachtwächters: Damit wird er zum Provokateur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen