: Mehr das Andere als unbedingt das Neue
Für die Kampnagel-Saison 2001/2002 verspricht das neue Team einen Bildersturm ■ Von Karin Liebe
Wird Kampnagel konservativ? Von einer Rückbesinnung auf die zentralen Fragen des Theaters spricht die neue Intendantin Gordana Vnuk, die im Herbst 2001 den bisherigen künstlerischen Leiter Res Bosshart ablösen wird. Unter dem Stichwort „Ikonoklasmus“ wendet sich die langjährige Leiterin des Zagreber Tanz- und Theaterfestivals „Eurokaz“ gegen Formen des zeitgenössischen Theaters, die sich scheinbar beliebig bei den anderen Künsten bedienen und so die Tradition des eigenen Genres negieren. Dieses Theater, so Vnuk, nennt sich zwar innovativ, hat aber mittlerweile selbst einen Mainstream mit bestimmten Stilen und Moden produziert, der überall zu sehen ist. Dagegen möchte die neue Leiterin Kampnagel als einen Ort etablieren, an dem „eine ambitionierte und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Anderen geführt“ wird.
Was das heißen soll, davon konnte man sich gestern bei der Pressekonferenz zur Spielzeit 2001/2002 ein erstes – und ziemlich vages – Bild machen. Zusammen mit der neuen Kampnagel-Dramaturgie Branko Brezovec, Kathrin Tiedemann, Eva Maria Stüting und dem Pressesprecher Jens Breder stellte die künftige Intendantin ihre Pläne für das bislang experimentierfreudigste der drei großen Hamburger Theater vor.
Das seit 1984 bestehende, bis letztes Jahr noch unabhängige Sommerfestival macht den Anfang. Der neue Name „Laokoon“ ist dabei Programm. Er meint in Anlehnung an einen Text von Lessing die Konzentration des Theaters auf das Wort statt auf das Bild. Ab 2002 soll ein nichteuropäischer Theaterexperte das internationale Tanz- und Theater-festival leiten, in diesem Sommer wird das Programm ausnahmsweise von Gordana Vnuk und ihrem DramaturgInnenteam zusammengestellt.
Mit einer Europapremiere wird im Oktober dann die neue Spielzeit eröffnet. Als „Theaterwunder“ und „großes Spektakel“ bezeichnet Vnuk die Großstadtoper Ryusei (Sternschnuppe) der japanischen Gruppe Ishinha, die bisher erst einmal außerhalb Japans aufgetreten ist. An Erwin Piscators politisches Theater, Fritz Langs Filmikone Metropolis oder an die deutsche Elektronikband Kraftwerk soll deren Ästhetik erinnern.
Die weiteren Inszenierungen sind in vier Themenblöcke gegliedert: Zunächst geht es unter dem Stichwort „Das Problem des Bildes im Theater“ um den radikalen Verzicht auf Spektakuläres und auf eine attraktive Visualität. Im Januar und Februar 2002 soll Kampnagel dann zur „temporären Weihestätte des Körperkults“ werden, wie ges-tern versprochen wurde. Nicht nur internationale KörperkünstlerInnen wie Ron Athey oder Annie Sprinkle sollen die BesucherInnen animieren, sich mit dem eigenen Körper auseinander zu setzen, auch Hamburger TätowiererInnen, BodypainterInenn oder MasseurInnen werden Hand anlegen. Ein dritter Themenkomplex im Mai widmet sich KünstlerInnen der neuen italienischen Szene, im Juni schließlich heißt es „Theater und Militär“. Unter anderem geplant: eine Koproduktion der Hamburger Performancegruppe showcase beat le mot mit dem Theater der Bulgarischen Armee Sofia.
Und was ist mit dem Nachwuchs, dem Kampnagel bislang ein so wichtiges Forum bot? Die Tradition des „Junge Hunde“-Festivals für den deutschen Tanz- und Theaternachwuchs wird nicht fortgeführt. Dafür kommen sechs von der Kulturbehörde geförderte Projekte – unter anderem Tanzproduktionen von Angela Guerriero und Jochen Roller – zur Uraufführung. Zusätzlich gibt ein neues Nachwuchsfestival im April 2002 lokalen ChoreografInnen, die noch kein abendfüllendes Programm auf Kampnagel zeigen konnten, eine erste Chance. RegiestudentInnen an der Hochschule für Musik und Theater können weiterhin ihre Diplominszenierungen in den Barmbeker Hallen präsentieren.
Für Musikfans gibt es außerdem eine neue Location: Die Kampnagel Music Hall (KMH Club) wird am 20.10. mit einer Performance des Club Adorator, bisher im Westwerk ansässig, eröffnet. Sie soll, hofft Dramaturgin Eva Maria Stüting, bald zum beliebten Showroom mit Eventcharakter abseits der Hamburger Szeneviertel avancieren.
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