: Europa lässt die Welt allein
Der IWF muss allein die Verantwortung für den Türkei-Kredit übernehmen. Bei der Belebung der Weltwirtschaft setzt die Europäische Union auf die USA
aus Washington ELLY JUNGHANS
Über der Weltwirtschaft sind Wolken aufgezogen, aber richtig einregnen muss es sich nach Einschätzung der führenden Industrienationen (G 7) deswegen nicht. Das wird schon wieder, lautete die Botschaft der Finanzminister und Notenbankchefs der G 7 nach ihrem Frühjahrstreffen am Samstag in Washington. Zwar traute sich noch keiner, die jüngsten Konjunkturzahlen aus den USA als Hinweis zu interpretieren, dass die ersehnte weiche Landung der US-Wirtschaft doch noch kommt. Insgeheim hoffen die Europäer jedoch, dass die Vereinigten Staaten die Weltkonjunktur auch künftig antreiben werden. Sie selbst machen derweil weiter wie bisher.
Eigentlich geben die Zahlen, die den Finanzministern und Notenbankchefs bei ihrem Treffen vorlagen, eher Anlass zur Sorge. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für dieses Jahr ein Wachstum von nur noch 3,2 Prozent gegenüber 4,8 Prozent im Jahr 2000. Dennoch seien die Grundlagen für ein weltweites Wachstum „gesund“, befanden die G 7. Die Aussichten für eine Verbesserung der weltweiten Lebensstandards seien überzeugend. US-Finanzminister Paul O'Neill konstatierte „echten“ Optimismus: Nach vorne schauend sind die Weltaussichten gut.“
Die Finanzkrise in der Türkei? Wird schon wieder, signalisierten die G 7. Der neue türkische Wirtschaftsminister Kermal Dervis, ein ehemaliger Vizepräsident der Weltbank, bekam Beifall für sein Sparprogramm. Kredite in Höhe von 10 Milliarden Dollar stellten IWF und Weltbank der Türkei in Aussicht. Dervis hofft, dass die ersten 3,5 bis 4 Milliarden Dollar bis Ende Mai überwiesen sind.
Vergeblich hatte der IWF versucht, die reichen Länder bei der Bekämpfung der Krise in der Türkei stärker in die Pflicht zu nehmen. Deutschland war zwar laut Bundesfinanzminister Hans Eichel bereit, im Rahmen der G 7 bilaterale Hilfen draufzusatteln. Doch Frankreich und Großbritannien wollten nicht, so dass der IWF allein die Verantwortung übernehmen muss.
Auch mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten Argentiniens musste sich der Fonds an diesem Sonntag allein herumschlagen. Die G 7 würdigten das Schwellenland in ihrem Kommunikee keines Wortes. IWF-Chef Horst Köhler stellte in Aussicht, dass die Bedingungen bald ausgehandelt sein dürften, aufgrund deren Buenos Aires die nächste Tranche des schon zugesagten Hilfspakets erhält. Er hatte sich zuvor mit dem argentinischen Wirtschaftsminister Cavallo getroffen und lobte dessen Plan zur Bekämpfung der Krise. Dass diese auf sie übergreifen könnten, befürchten die Reichen – zumindest offiziell – nicht.
Die armen Länder sind weniger optimistisch. Sie fröstelt angesichts der Vorstellung, dass Hilfsgelder und ausländische Investitionen versiegen könnten, wenn das Wachstum im Norden nicht mehr stimmt. Die in der Gruppe der 24 zusammengefassten Länder des Südens drängten daher erneut auf den Abbau von Handelsschranken für ihre Exporte nach Europa und in die USA. „Mittel- und langfristig wird der Handel wichtiger sein als die Entwicklungshilfe“, sagte der tansanische Finanzminister Basil Mramba. Die G 7 sprachen sich nach dem Debakel in Seattle im letzen Jahr für eine neue Freihandelsrunde noch in diesem Jahr aus.
Doch trotz des Endes des Wirtschaftsbooms in den USA betrachten sich die europäischen Länder nicht mehr als sonst gefordert, die Wolken am Himmel der Weltkonjunktur zu vertreiben. Es gehe nicht um die Suche nach einem Sündenbock, sagte der französische Finanzminister Laurent Fabius. Jeder G-7-Staat müsse in seinem Bereich dafür sorgen, dass sich die Wachstumspotenziale entfalten könnten, sagte Hans Eichel.
Beide Finanzminister erklärten im Anschluss an die Sitzung, die US-Vertreter hätten die Europäer nicht gedrängt, ihre Zinsen zu senken. EZB-Präsident Wim Duisenberg gab keine Signale, dass er einen Zinsschritt plant. Die Wachstumsaussichten in der Euro-Zone bleiben nach Einschätzung der G 7 günstig, wenn sie auch etwas gedämpft worden seien. Haushaltskonsolidierung, Struktur- und Steuerreformen seien dort weiterhin gefragt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen