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dellwo über versöhnung

„Nur private Kategorie“

Karl-Heinz Dellwo (49), Ex-RAF-Mitglied, saß wegen seiner Teilnahme an der Besetzung der deutschen Botschaft in Stockholm 21 Jahre im Gefängnis.

taz: Herr Dellwo, Sie waren auf einem Podium zum Thema „Versöhnung“. Neben Ihnen saß der „Mescalero“. Der Autor der „klammheimlichen Freude“ über die Ermordung des Generalbundesanwalts Buback hat inzwischen mit dessen Sohn gesprochen. Können Sie sich Ähnliches vorstellen?

Karl-Heinz Dellwo: Ich kann mir Versöhnung nur als private Kategorie vorstellen, als gesellschaftliche ist sie untauglich. Dort stehen sich schließlich nicht private Individuen gegenüber. Eine Gesellschaft hat grundsätzliche Widersprüche, auch Klassenwidersprüche. Ich meine nicht, dass man alles zu einem Brei zusammenrühren sollte.

Aber vielleicht Irrtümer eingestehen?

Es ist doch nicht so, dass ich sage, Mensch, die RAF, das war eine tolle Gruppe. Da haben wir vieles als Last zu tragen. Aber für mich geht es letztlich um die Frage, ob es irgendwann einmal Respekt auch der RAF gegenüber gibt, bei aller Kritik. Erst dadurch wird die ganze Sache repolitisiert – weil man die geschichtlichen Zusammenhänge der RAF sieht. Gerade von einer rot-grünen Regierung kann man erwarten, dass sie sich zur Geschichte der 70er-Jahre anders verhält als die CDU-Regierung.

Was fordern Sie konkret?

Dass man diejenigen, die gesucht werden, durch eine politische Entscheidung außer Verfolgung stellt und dass man sagt, die Gefangenen, die jetzt noch drin sind, werden entlassen. Ob man das über ein Gnadengesuch macht oder anders, ist für mich zweitrangig.

Wäre das nicht Versöhnung?

Da versöhnt sich ja nichts. Die Regierung muss sich nicht mit der RAF versöhnen. Wir hatten das Recht zur Revolte. Dafür muss ich mich nicht entschuldigen. Es wäre die Anerkennung des Tatbestandes, dass das ein gesellschaftlicher Konflikt war.

Und die Opfer?

Ich sehe die private Seite unserer Opfer. Und ich glaube, dass sie ein Recht auf Hass haben. Aber was ich von Versöhnung halte, habe ich schon gesagt.

Sie haben aber auch gesagt, als persönliche Kategorie können Sie sich Versöhnung vorstellen.

Ich glaube nicht, dass es eine persönliche Ebene ist, sondern eine gesellschaftliche. Ich kann nicht zur Familie Schleyer hingehen und sagen, es tut mir leid. Ich könnte ihr die Gründe sagen, warum die RAF Hans-Martin Schleyer ausgewählt hat. Aber das löst für sie nichts auf.

Sie können nicht den Blumenstrauß nehmen, der da steht, und . . .

. . . nein.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ

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