Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Zweckentfremdung von Fraktionsgeldern ist laut Bundesverfassungsgerichtsurteil und nach dem Fraktionsgesetz verboten. Aber bei der CDU in Rheinland-Pfalz sieht man das nicht so eng. Eine Viertel Million Mark sollen seit 1997 aus dem Fraktionstopf an die Partei geflossen sein

BERLIN ■ taz Für einen Grappa für „Papa“ Gölter reichte es am Ende auch noch. Schließlich steuerte der Vorsitzende der Landtagsfraktion der rheinland-pfälzischen CDU, Christoph Böhr, exakt 1.000 Mark zur Feier des 60. Geburtstages von Exkultusminister Georg Gölter (CDU) im noblen Restaurant des Kurfürstlichen Schlosses zu Mainz bei: aus dem vom Steuerzahler gut gefüllten Topf mit den Fraktionsgeldern.

Das mit „Dein Schorsch“ unterzeichnete Dankschreiben für die Unterstützung durch den „lieben Christoph“ vom 2. Februar 1999 ist im neuen Spiegel zu sehen. Und dem Nachrichtenmagazin lag wohl auch die detaillierte Rechnung für den Event von 8.716,40 Mark vor. Neben dem einen Grappa und anderen scharfen Sachen waren noch 85 Flaschen Wein und 30 Liter Bier degustiert worden. Auch das Buffet für die rund 100 Gäste soll „üppig“ gewesen sein.

Ein Freundschaftsdienst von Böhr für einen alten Parteifreund? Ganz sicher. Und ein für die Union und ihren Fraktionsvorsitzenden kostenloser dazu. Denn das Geld lag und liegt ja herum: auf dem Fraktionskonto 110034022 bei der Landesbank. Und Monat für Monat kommt frisches dazu: aus der Landeskasse. Dabei hätte auch die Landtagsfraktion der CDU wie alle anderen Fraktionen mit diesem Geld ausschließlich ihre parlamentarische Arbeit finanzieren dürfen. Darauf jedenfalls insistierte der Landesrechungshof wiederholt und berief sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Danach und nach dem Fraktionsgesetz ist die Zweckentfremdung von Fraktionsgeldern „verboten“, wie die Verschiebung der Mittel an die Partei auch.

Doch bei den Schwarzen am Rhein sieht man das alles offenbar nicht so eng. Rund eine Viertel Million Mark aus dem Topf für die Fraktionsgelder sollen seit 1997 an die Partei geflossen oder für kleine Geschenke an Dritte zum Erhalt oder zum Ausbau von Freundschaften ausgegeben worden sein. So lauten die neuen Vorwürfe an die Adresse von Böhr. Mit größeren Beträgen seien Wahlkämpfe der Partei unterstützt worden, etwa durch die Begleichung von Rechnungen diverser Werbeagenturen, die für die CDU tätig geworden waren.

Und auch Parteiprogrammatik habe sich die Union auf Kosten der Allgemeinheit erarbeiten lassen: von einem Institut für Organisationskommunikation und für knapp 70.000 Mark aus der Fraktionskasse. Kleinere Summen blieben auch schon einmal an den Händen von Ortsvereinsvorsitzenden der CDU kleben. Und immer wieder beglich die Fraktion offenbar Reisekostenabrechungen oder Spesenquittungen von Parteimitgliedern, die nicht der Fraktion angehörten. Christoph Böhr kennt sich da aus. Als Vorsitzender der CDU im Bezirk Trier nahm er gerne Gelder unbekannter Herkunft an: von dem im Januar wegen Untreue vom Landgericht in Koblenz zu einer langen Haftstrafe verurteilten Hans-Joachim Doerfert (CDU). Der Topmanager der Caritas Trägergesellschaft Trier (ctt), der das Unternehmen systematisch ausplünderte und das Geld an sich und andere verteilte, war der Kassenwart der Union.

Der Sprecher der Landesverbandes der CDU, Thomas Bippes, wies alle gegen Böhr und die Fraktion erhobenen Vorwürfe zurück. Es handele sich um den „erneuten untauglichen Versuch, die Fraktion der CDU zu diskreditieren“, so Bippes in einem Schreiben an den Spiegel vom Wochenende. Die Fraktion beachte bei Ausgaben die Vorgaben des Fraktionsgesetzes und den Artikel 85a der Landesverfassung. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötige die Fraktion allerdings „externen Sachverstand und Unterstützung“, heißt es dort weiter. Konkret auf die Werbeagenturen angesprochen, sagte Bippes, dass die eben von der Partei und der Fraktion Aufträge bekommen hätten: „wegen der Notwendigkeit des einheitlichen Erscheinungsbildes“ der Union in Rheinland-Pfalz.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT