: EU zwingt Parteien zusammen
Mit der Bildung einer Allparteienregierung müssen die Sozialisten mittragen, was an Kompromissen zwischen beiden Volksgruppen ausgehandelt wird
aus Skopje ERICH RATHFELDER
Der Druck war groß und schließlich erfolgreich. Nato-Generalsekretär George Robertson war zusammen mit Javier Solana, dem Koordinator für Aicherheits- und Außenpolitik der EU, nach Skopje gereist, um die makedonische Staatsführung vom Äußersten, der Verhängung des Kriegsrechts, abzuhalten. Es sollte der Armee rücksichtloseres Vorgehen gegen albanische UÇK-Kämpfer ermöglichen.
Die Regierung verzichtete am Montagabend darauf. Und es gelang noch mehr. In stundenlangen Krisensitzungen in der Nacht zum Dienstag konnte Solana die Führer der politischen Parteien zu einer Regierung der nationalen Einheit überreden – unter gegenseitigen Zugeständnissen.
Zwang zum Kompromiss
Am heutigen Mittwoch werden die bisher oppositionellen Sozialisten und die Albanerpartei für den demokratischen Fortschritt (PPD) zusammen mit den bisherigen Regierungsparteien unter der Führung der „Demokratischen Partei für die makedonische Einheit und demokratische Alternarive“ (VMRO) und der schon in der Regierung befindlichen Albanerpartei DPA („Demokratische Partei der Albaner“) eine gemeinsame Regierung bilden. Die albanischen Makedonier mussten die Integrität des Staates und seiner Außengrenzen garantieren. Die slawischen Makedonier sind nun ernsthaft gezwungen, über Verfassungsänderungen nachzudenken. Die militärische Offensive der Armee gegen albanische Dörfer in den Grenzregionen soll gestoppt werden. Mit dem Versprechen von Neuwahlen für den 27. Januar nächsten Jahres wurde den Sozialisten eine wichtige Konzession gemacht. Sie können sich mit der nationalistischen Welle in der slawisch-makedonischen Bevölkerung im Aufwind fühlen.
Schon bei den letzten Wahlen hatte die Nachfolgepartei der Kommunisten auf nationalistische Gefühle gesetzt, war damals aber gescheitert. Mit der Bildung einer Allparteiengregierung sind den Sozialisten die Hände gebunden, sie müssen nun mittragen, was an Kompromissen zwischen den beiden Volksgruppen ausgehandelt wird. Und dies könnte die politischen Spielräume für Premierminister Ljubčo Georgievski erweitern.
Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass die Allparteienregierung allerhöchstens eine Übergangsregierung ist. Die Chancen, die albanischen Kämpfer der UÇK von weiteren Anschlägen abzuhalten, werden dennoch nicht als völlig unmöglich eingeschätzt. Vor allem dann, wenn die Armee sich tatsächlich an die Absprache hielte, ihrerseits nicht mehr albanische Dörfer anzugreifen. Arben Xhaferi, der Vorsitzende der DPA, sieht keine Alternative zur Bildung der Allparteienregierung. „Entweder es gibt Krieg oder wir werden uns gemeinsam um die Frieden bemühen“, erklärte er der taz. (siehe Interview)
Verbitterung auf allen Seiten
Bitterkeit hat bei den Albanern die Information ausgelöst, dass die pogromartigen Ausschreitungen in der Stadt Bitola im Süden des Landes letzte Woche offensichtlich von oben gedeckt wurden. Über vier Stunden lang hatte der Mob gewütet und Dutzende von albanischen Läden zerstört. Die Polizei hätte also genug Zeit gehabt, einzugreifen. Dass dies nicht erfolgte, weist darauf hin, dass die Ereignisse von Bitola dazu dienen sollten, die Ausrufung des Kriegszustandes psychologisch vorzubeiten.
Die slawisch-makedonische Öffentlichkeit ist dagegen erbost, dass es der UÇK offensichtlich gelungen ist, nicht nur ihre Positionen in der umkämpften Region Kumanovo 30 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Skopje zu halten, sondern sogar wieder in der Region Tetovo aktiv zu werden. Hier wurden vorige Woche auch die acht Soldaten der Armee getötet, deren Tod zu den Protesten der slawischen Bevölkerung führte. Nach albanischen Angaben seien damals auch ukrainische und serbische Söldner in der Bergregion umgekommen. Weiterhin wurde bekannt, dass die UÇK die Zivilbevölkerung in der Grenzregion bei Tetovo evakuieren ließ, um so freie Schussbahn zu erhalten. Die gemäßigten Albanerparteien fordern die UÇK auf, diese Strategie aufzugeben und die Zivilbevölkerung in ihrer Heimat zu belassen.
Die Regierung der nationalen Einheit steht vor der Aufgabe, beide Bevölkerungsgruppen zumindest zu besänftigen. Die Ausrufung des Kriegsrechtes hätte zu einer gefährlichen Eskalation beigetragen, darin sind sich alle diplomatischen Beobachter einig. Indem Solana und Robertson starken Druck ausübten, konnten unkalkulierbare Eruptionen zunächst einmal vermieden werden.
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