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Zu unsichere Rechtssicherheit

Auch nach der einvernehmlichen Klageabweisung durch die New Yorker Richterin Shirley Kram am Donnerstagabend ist für die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft der Weg noch immer nicht frei für Zahlungen an die überlebenden Zwangsarbeiter

von CHRISTIAN SEMLER

Dem ersten tiefen Seufzer der Erleichterung folgte rasche Ernüchterung. Einen Augenblick lang sah es nach der einvernehmlichen Abweisung von Klagen gegen deutsche Banken wegen Vermögensschädigungen in der Nazi-Zeit durch die New Yorker Richterin Shirley Kram so aus, als wäre der Durchbruch gelungen. Als könnte jetzt der Bundestag die Rechtssicherheit für deutsche Firmen vor zweimaliger Zahlung feststellen, so dass mit der Auszahlung der ersten Entschädigungen an Zwangsarbeiter noch in diesem Sommer begonnen werden könnte. Aber im Laufe des gestrigen Tages türmten sich wieder die alten Hindernisse auf.

Den Vertretern der deutschen Wirtschaft, die zu 50 Prozent das Vermögen der Bundesstiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter bereitstellen, aber noch nicht überwiesen haben, ist der jetzt erreichte Grad der Rechtssicherheit immer noch nicht sicher genug. Wolfgang Gibowski, Sprecher der Stiftungsinitiative, wies gestern auf die noch anhängigen Klagen in den USA hin. Sie hätten „durchaus eine gewaltige Bedeutung“.

Bei den Verfahren, auf die Gibowski hinwies, handelt es sich vor allem um Berufungen von Zwangsarbeitern, die in der ersten Instanz abgewiesen worden waren und sich danach nicht einverstanden erklärten, ihre Klage im Sammelverfahren einvernehmlich abweisen zu lassen. Gibowski meinte: „Wir haben von der Rechtsprechung der USA schon manche böse Überraschung erlebt.“ Der Entschädigungsexperte der CDU, Wolfgang Bosbach, betonte gestern gegenüber der taz, dass es bei diesen Berufungen vor allem um Fälle gehe, von denen eine starke Präjudizwirkung zu erwarten sei. Er verwies dabei besonders auf die Klage Josef Tiber Deutschs gegen die kalifornische Tochter der „Hoch-Tief“, eine der größten Profiteure der Zwangsarbeit. Rechtsexperten sind allerdings der Auffassung, dass diese Berufungsverfahren nach der Abweisung in der ersten Instanz nur sehr geringe Erfolgsaussichten hätten. Vor allem im Urteil des Bundesgerichts von New Jersey sei die Zuständigkeit der USA-Gerichte verneint und außerdem Verjährung festgestellt worden.

Die Stiftungsinitiative beharrt weiterhin darauf, dass deutsche Firmen künftig wegen der Beschäftigung von Zwangsarbeitern nicht nur von Klagen verschont bleiben, sondern ihnen auch keine geschäftlichen oder juristischen Hindernisse in den Weg gelegt werden dürften. In einem solchen Fall tritt der Versicherungskonzern Gerling als Kläger gegen ein neues Gesetz des Staates Kalifornien auf, das Unternehmen zur Öffnung ihrer Firmenarchive zwingt, damit Versicherungsnehmer an ihre Unterlagen herankommen. „Rechtssicherheit“ auch bei Klagen?

Otto Graf Lambsdorff, der deutsche Chefunterhändler in Sachen Entschädigung der Zwangsarbeiter, zeigte sich gestern zurückhaltend. Man müsse erst die Bedingungen prüfen, die Shirley Kram ihrer Klageabweisung beigefügt habe. Eine dieser Bedingungen betrifft die Finanzierungslücke für Forderungen von Naziopfern gegen österreichische Banken bzw. gegen die deutschen Banken, ihre damaligen Herrn und Meister. Lambsdorff obliegt es, dem Bundestag die Feststellung der Rechtssicherheit zu empfehlen.

Seitens der Opferverbände und einzelner Abgeordneter wurde gefordert, unabhängig von den noch anhängenden Fällen jetzt die Rechtssicherheit zu beschließen. Auch der Bundeskanzler wies auf den Unterschied zwischen vollständiger und hinreichender Rechtssicherheit hin, ohne allerdings ein klares Urteil über den gegenwärtigen Stand abzugeben. Auch wurden Forderungen laut, jetzt mit den Zahlungen aus dem Bundesanteil von 5 Milliarden zu beginnen. Ein solches Vorgehen würde eine Änderung des Stiftungsgesetzes voraussetzen, was auch von den Befürwortern nur als Notausgang gesehen wird.

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