: Rendite oder Risiko?
Fast 45 Prozent von potenziellen Investoren finden sozialökologische Fonds attraktiv. Weniger als ein Prozent haben in diesem Segment investiert. Repräsentative Haushaltsbefragung durchgeführt
Der Markt für ethisch-ökologische Geldanlagen bietet bisher ungeahnte Chancen. Dies hat das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (imug) in Hannover in Kooperation mit dem Lehrstuhl Markt und Konsum der Universität Hannover durch eine repräsentative Haushaltsbefragung im Rahmen eines Forschungsprojektes jetzt herausgefunden. Denn obwohl 44,6 Prozent der Befragten sozialökologische Fonds für „eher attraktiv“ oder „sehr attraktiv“ halten, ist diese Form der Geldanlage erst einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung (3,1 Prozent) angeboten worden. Nur 0,68 Prozent haben in diesem Segment investiert.
In dem vom Bundesforschungsministerium unterstützten Projekt sollte in einem ersten Schritt untersucht werden, welche Potenziale und welche Hemmnisse für die Marktentwicklung existieren. Dazu hat das imug 1.200 Personen in ganz Deutschland telefonisch befragt. Die Gesprächspartner waren verantwortlich für Geldanlageentscheidungen in ihren Haushalten. Sie haben zu ihren Kenntnissen, Einstellungen und Meinungen zu Geldanlagen und zu ethisch-ökologischen Geldanlagen Auskunft gegeben.
Dabei ging es beispielsweise darum, wie ethisch-ökologische Fonds von den Befragten eingeschätzt werden und welche Themen für sie von besonderer Bedeutung sind. Dabei hat das imug auch nach der Bedeutung von unterschiedlichen Negativ- und Positivkriterien gefragt. Bei den Positivkriterien müssen Unternehmen hohe Standards in sozialen und ökologischen Bereichen erfüllen, um in einen entsprechenden Fonds aufgenommen zu werden. Negativkriterien (wie etwa Gentechnologie oder Kinderarbeit) führen zum Ausschluss von Unternehmen aus dem Anlageuniversum von ethisch-ökologischen Fonds.
Gerade der Aspekt Kinderarbeit hat für viele Befragte eine besondere Bedeutung. 87 Prozent möchten solche Unternehmen nicht in ihrem Portfolio wissen. Es folgen die weiteren Ausschlusskriterien Rüstung (76,8 Prozent), Tierversuche (51,7) und Gentechnik (42,7). Als Positivkriterien ist es für 77,2 Prozent der Interviewteilnehmer sehr wichtig, dass ein sozialökologischer Fonds Unternehmen aufnimmt, die sich durch besondere Leistungen im Umweltschutz auszeichnen. Außerdem werden eine umfangreiche Informationspolitik (59,6 Prozent), die sozialen Leistungen für Mitarbeiter (59,0), der Einsatz für Verbraucherinteressen (55,1) und der Einsatz für die Rechte von Minderheiten (54,8) als wichtige Kriterien benannt. Dass in dem Fonds Unternehmen aufgenommen werden, die sich durch eine besondere Förderung der Frauen auszeichnen, ist für 45,8 Prozent der Befragten von Relevanz.
In einem zweiten Schritt wollte das imug wissen, wie sich die Gesprächspartner tatsächlich zwischen unterschiedlichen Geldanlageprodukten entscheiden. Dazu haben die Interviewer eine so genannte „Conjoint Analyse“ durchgeführt. Dabei bekommen die Befragten verschiedene Produkttypen vorgeschlagen (zum Beispiel „3 Prozent Rendite, geringes Risiko, mittleres sozialökologisches Engagement“ oder „15 Prozent Rendite, hohes Risiko, hohes sozialökologisches Engagement“). Die Interviewer bitten die Befragten dann, die Wahrscheinlichkeit (zwischen 0 und 100) anzugeben, mit der sie in einen Fonds mit den genannten Eigenschaften investieren werden. Mitspielen können nur diejenigen Befragten, die in den nächsten fünf Jahren tatsächlich Investmentfonds kaufen wollen. Insgesamt gab es die Merkmale Rendite (3 Prozent, 9 Prozent, 15 Prozent), Risiko (gering, mittel, hoch) und sozialökologisches Engagement (gering, mittel, hoch), die frei kombiniert wurden.
Bei der Auswertung zeigten sich fünf Segmente. Die Gruppe derer, für die die Rendite im Vordergrund steht, bildet bildet mit 36 Prozent wie erwartet die größte Einheit. Risiko und sozialökologisches Engagement fallen bei der Anlageentscheidung nicht ins Gewicht. Die zweitgrößte Gruppe bilden die „Risikoscheuen“ (27 Prozent), ebenfalls eine klassische Anlegergruppe, der Rendite und sozialökologisches Engagement egal ist, solange das Geld sicher angelegt ist.
Anders ist dies bei der Gruppe der „Dagoberts“ mit ethischer Orientierung (9 Prozent). Neben einer sehr guten Rendite ist das sozialökologische Engagement der Unternehmen von großer Bedeutung für die Anleger. Noch stärkere sozialökologisch geprägte Prioritäten setzen die „Ökos“ mit Gewinnerwartung (10 Prozent). Diese Investoren wollen, dass ihr Geld ethisch vertretbar angelegt ist und erwarten erst in zweiter Linie eine akzeptable Rendite. Kaum eine Rolle spielen Rendite und Risiko für die „Idealisten“ unter den Geldanlegern (18 Prozent). Sie achten fast nur auf das sozialökologische Engagement der Unternehmen, in die sie investieren.
Die in den drei zuletzt genannten Segmenten vertretenen Geldanleger achten auf die sozialökologische „Qualität“ der Fonds, in die sie investieren. Zusammen stellen sie fast 40 Prozent des Gesamtmarktes dar (der hier aus denjenigen besteht, die in den nächsten fünf Jahren einen Investmentfonds kaufen wollen). Damit wird deutlich, dass der Markt für ethisches Investment ein bedeutendes Wachstumspotenzial aufweist.
Dies spiegelt sich auch in dem Engagement von FTSE International, der zweitgrößten Indexgesellschaft weltweit, wider. Unter dem Namen „FTSE4Good“ wird im Sommer eine neue Indexfamilie eingerichtet. Die vier Indizes werden verschiedene Regionen abbilden (Großbritannien, Europa, USA, Welt) und dienen dazu, einen einheitlichen Standard bei der Bewertung von Unternehmen zu schaffen. Ein unabhängiges Gremium entscheidet über die Aufnahme von Unternehmen in den jeweiligen Index. Zentrale Kriterien für die Bewertung sind die Einhaltung der Menschenrechte, der Umgang mit den Anspruchsgruppen sowie die soziale und ökologische Performance.
Trotz all dieser begrüßenswerten Entwicklungen ist für die Dynamik der ethischen Geldanlage vor allem das Verhalten der institutionellen Anleger entscheidend. Daher bildet eine genaue Untersuchung dieser kapitalstarken Anlegergruppe auch den nächsten Schwerpunkt im imug-Projekt. Schon jetzt kann vermutet werden, dass man sich in den Chefetagen der Fondsgesellschaften den Kopf darüber zerbricht, wie man der neuen Veröffentlichungspflicht nachkommt. Da es nämlich in Zukunft im Rahmen der privaten Altersvorsorge möglich sein wird, Kapital in Alterssicherungsfonds anzulegen, hat die Bundesregierung verpflichtend für alle Fondsgesellschaften festgeschrieben, dass darüber informiert werden muss, in wie weit bei der Auswahl der Unternehmen auch ethische, soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden.
KIREIN FRANCK
ROLAND PÄTZOLD
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