: Gaddafi verdächtig
Internes Außenamt-Schreiben soll Libyens Staatschef als Drahtzieher des „La Belle“-Anschlags belasten. Regierung bestätigt den Bericht nicht
BERLIN taz ■ Im „La Belle“-Prozess gibt es eine überraschene Wende. Zum einen wird sich das Landgericht Berlin mit der Rolle von Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi beim Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ befassen müssen. Zum anderen hat die Bundesregierung erhebliche Erklärungsnöte. Einer der Opfer-Anwälte, Andreas Schulz, beantragte gestern am 255. Verhandlungstag, Kanzlerberater Michael Steiner vorzuladen. Gaddafi soll sich gegenüber dem außenpolitischen Berater von Gerhard Schröder als Drahtzieher des Attentats geoutet haben. Schulz berief sich auf einen internen Bericht des Auswärtigen Amts (AA).
Das Geständnis, das Gaddafi gegenüber Steiner abgegeben haben soll, geht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge aus einem Schreiben der deutschen Botschaft hervor. Darin erstatte Botschafter Jürgen Chrobog dem AA Bericht über Schröders Besuch in Washington am 29. März sowie über ein vertrauliches Gespräch mit US-Präsident Bush und Außenminister Colin Powell. Steiner, zitiert die FAZ, „berichtete über seine Gespräche mit Gaddafi in Libyen, bei denen er eingestanden habe, dass sich Libyen an terroristischen Aktionen (La Belle, Lockerbie) beteiligt habe. Er habe erklärt, dem Terrorismus abgeschworen zu haben, und bat um die Chance, diese neue Haltung Libyens beweisen zu können.“
Bei dem Anschlag auf die Disko, die vor allem US-Soldaten besuchten, kamen am 5. April 1986 drei Menschen ums Leben, 200 wurden verletzt. Als Vergeltung ließ US-Präsident Ronald Reagan, der Gaddafi als Drahtzieher nannte, die libyschen Städte Tripoli und Bengasi bombardieren.
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte zu den Vorwürfen, Steiner habe am 17. März ein vertrauliches Gespräch mit dem libyschen Staatschef geführt. Dabei ging es auch um Fragen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. „Über Einzelfälle aus der Vergangenheit wurde nicht gesprochen.“
Das Gericht nahm den Antrag nur zur Kenntnis. Nebenkläger Wolfgang Kaleck sagte, sollte es den Bericht tatsächlich so geben, „dann wäre das ein ziemlicher Hammer“. Das Gericht habe die Regierung mehrfach gebeten, die libysche Führung zur Zahlung von Schadenersatz zu drängen. In der Antwort sei über eine mögliche libysche Urheberschaft keine Silbe verloren worden. WOLFGANG GAST
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