Spionage in Zeiten der Globalisierung

Brüsseler Ausschuss bestätigt Existenz des Abhörsystems „Echelon“. Berichte über Einsatzmöglichkeiten überzogen

BERLIN taz ■ Die schlechte Meldung zuerst: Ja, es gibt ein globales Überwachungssystem, das den internationalen Fernmeldeverkehr belauscht und das auch zur Wirtschaftsspionage verwendet werden kann. Sein Name: „Echelon“. Die gute Nachricht: Das weltumspannende Abhörsystem kann nicht alles, was ihm bisher von Experten und Medien zugetraut wurde. Das Urteil ist amtlich. Vor knapp einem Jahr setzte das Europäische Parlament einen Sonderausschuss zur Untersuchung von „Echelon“ ein. Morgen wird Berichterstatter Gerhard Schmid (SPD) in Brüssel die Ergebnisse der Ausschussarbeit vorstellen. Die Kernaussagen des Rapports, die in einem „working document“ zusammengefasst sind, sind allerdings bereits Ende vergangener Woche durchgesickert.

Die Existenz des „Echelon“-Überwachungssystems ist nicht länger „zweifelhaft“, heißt es in dem 92 Seiten starken Bericht. Dieser stützt sich im Wesentlichen auf öffentlich zugängliche Quellen, auf einige wenige Geheimdienstmitarbeiter und auf technische Machbarkeitsstudien. Die Ursprünge von „Echelon“ reichen in die Zeit des beginnenden Kalten Krieges zurück. Betrieben wird das System von den USA und Großbritannien. Partner sind Kanada, Neuseeland und Australien. Das besondere an „Echelon“: Durch die Kooperation der fünf Staaten kann „Echelon“ auf Überwachungsstationen in vier Erdteilen zurückgreifen – eine Voraussetzung zur globalen Überwachung der Kommunikationsstränge, die über Satelliten abgewickelt werden.

Bestätigt wird in dem Bericht weiter, dass die abgehörten Telex- und Faxverbindungen mit so genannten Wortbanksystemen ausgewertet werden. Mit anderen Worten: Wird ein bestimmter, in einer Datenbank abgespeicherter Begriff verwendet, wird die Verbindung automatisch aufgezeichnet. In Einzelfällen sei sogar das Ausfiltern einzelner Telefonate anhand von Stimmprofilen möglich – einen flächendeckenden Einsatz der „Hit-Worte“ bei den Telefonaten gebe es aber nicht. Eine entsprechende Software sei derzeit noch nicht entwickelt. Kritiker hatten behauptet, „Echelon“ werte täglich bis zu zwei Milliarden Verbindungen, darunter Telefonate, aus.

Seinen Hauptauftrag konnte der Brüssler Sonderausschuss nur bedingt erfüllen. Das Gremium wurde ins Leben gerufen, weil immer wieder Indizien dafür sprachen, dass vor allem die USA „Echelon“ zum Ausspähen der Konkurrenten der US-Wirtschaft nutzten. Durchaus möglich, heißt es dazu in dem Bericht. Nur hätte sich die Vermutung „nicht erhärten“ lassen. Das ist auch kein Wunder, denn die Geheimdienstler ließen sich nicht in die Karten schauen: Als Ausschussmitglieder Anfang Mai in die USA reisten, wurden sie von Mitarbeitern der US-Nachrichtendienste gar nicht erst empfangen. WOLFGANG GAST