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Neue Milliardenrisiken

Bei den städtebaulichen Entwicklungsgebieten drohen weitaus höhere Verluste als angenommen. Opposition kritisiert zu optimistische Schätzung des Senats und fordert Überprüfung der Vorhaben

von UWE RADA

Auflaufende Verluste, beschwichtigende Prognosen, unberherrschbare Risiken. So war das bei der Bankgesellschaft Berlin, und so könnte es auch bei den fünf städtebaulichen Entwicklunsggebieten der Hauptstadt kommen.

Wenn im Jahr 2010 Ausgaben und Einnahmen des Landes und der landeseigenen Entwicklungsträger für die Wasserstadt Spandau, den Schlachthof Eldenaer Straße, die Rummelsburger Bucht, Biesdorf-Süd und Johannisthal/Adlershof abgerechnet werden, beträgt der Verlust 1,9 Milliarden Mark. So prognostizierte es die Finanzverwaltung im September 2000 in ihrer letzten „Kosten- und Finanzierungsübersicht“.

Noch liegt zwar keine neue Prognose vor. Doch die Oppositionsparteien PDS und Bündnisgrüne rechnen schon heute mit einer deutlichen Steigerung der Verluste. „In der Prognose sind unter den erwarteten Einnahmen immer noch die optimistischen Ansätze der letzten Jahre enthalten“, kritisiert der wohnungspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Bernd Holtfreter. Statt der von der Finanzverwaltung erwarteten Verkaufserlöse von 1,6 Milliarden Mark seien realistischerweise nur 900 Millionen zu erzielen. Die Mindereinnahmen von 700 Millionen ergäben am Ende dann ein Defizit von 2,6 statt der angenommenen 1,9 Milliarden Mark.

Die städtebaulichen Entwicklunsggebiete waren von Anfang Fässer ohne Boden. Die privatwirtschaftlich tätigen, aber zu hundert Prozent vom Land finanzierten Entwicklungsträger haben zu hohen Preisen zu viele Grundstücke gekauft und baureif gemacht. Nun bleiben sie auf ihren Kosten sitzen, weil die Investoren fehlen – oder sie müssen zu Dumpingpreisen verkaufen. Gerade hier liegt aber auch der unterschiedliche Ansatz in der Schätzung. Während der Senat noch immer mit einem Erlös in Höhe der optimistischen Annahmen von vor einigen Jahren rechnet, hat die PDS in ihrer Prognose die tatsächlich erzielten Erlöse zugrunde gelegt.

Mit dieser düsteren Prognose steht die PDS nicht allein. Der bündnisgrüne Haushaltsexperte Burkhard Müller-Schoenau hält die PDS-Rechnung allein schon deshalb für eine akzeptable Annahme, weil der Rechnung des Finanzsenators die der Bauverwaltung zugrunde liegen. „Und der Bausenator beruft sich wiederum weitgehend auf die Zahlen der Entwicklungsträger.“

Auch der Landesrechnungshof hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Kostenexplosion bei den Entwicklungsträgern und die erwarteten Verluste moniert. Zugleich aber hatte die Behörde darauf verwiesen, dass ein Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt teurer komme als ein Fortführen der Vorhaben. Dennoch fordert Grünenpolitiker Müller-Schoenau, zumindest auf den Beginn der Bauarbeiten in der Eldenaer Straße zu verzichten. „Da gibt es keine Vermarktungschance“, sagt er. Gleiches gelte für den Bauabschnitt Eiswerde bei der Wasserstadt Spandau.

In der Finanzverwaltung gab man sich gestern vorsichtig und verwies auf den nächsten Bericht, der im Herbst vorgelegt werde. Intern jedoch hat Finanzsenator Peter Kurth (CDU) bereits zu erkennen gegeben, dass auch er bei den Entwicklunsggebieten eine Explosion der Verluste vermeiden möchte. Der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf glaubt gar, dass Kurth ein großes Interesse hat, sich schon bald mit den Finanzpolitikern aller Fraktionen zu diesem Thema zu treffen. Dass dies bislang noch nicht geschehen ist, vermuten die Oppositionspolitiker, liege einzig und allein an Bausenator Peter Strieder (SPD), der die Entwicklungsträger vor weiteren Einschnitten bewahren wolle.

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