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Biomasse steht am Anfang eines Booms

Bis zu zehn Prozent des heutigen Primärenergieverbrauchs in Deutschland können durch Biomasse gedeckt werden

Die Zeichen stehen auf Wachstum – nach Windkraft und Sonnenenergie steht jetzt die Energiegewinnung aus Biomasse am Beginn eines nie dagewesenen Booms. Es sind mehrere Faktoren, die eine rapide Entwicklung für die kommenden Jahre versprechen: Der Bundesrat hat Mitte Mai die Biomasseverordnung auf den Weg gebracht und damit Investitionssicherheit für Biomassekraftwerke geschaffen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz beginnt auch bei den landwirtschaftlichen Biogasanlagen zu greifen, die nun deutlich besser gestellt sind als zuvor. Und kreative Tüftler entwickeln immer neue Ideen zur Nutzung weiterer Energiequellen auf Basis von Biomasse – zum Beispiel Stroh oder Gras.

Dass seit April nun auch der erste Hersteller von Biogasanlagen – die schleswig-holsteinische Firma Farmatic – im Börsensegment des Neuen Marktes notiert, ist ein weiteres Indiz für die Dynamik der Biogasbranche und deren Visionen.

Kein Wunder, denn das technische Potenzial für Energie aus Biomasse liegt in Deutschland bei mehr als 350 Terawattstunden, entsprechend mehr als 1.200 Petajoule. Der Verbrauch an Primärenergie liegt hierzulande bei etwa 4.000 Terawattstunden oder gut 14.000 Petajoule. Es ließen sich demnach annähernd zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs – also nicht nur des Stroms – durch Biomasse decken.

Die größte Ausbeute an Biomasse-Energie ließe sich erzielen, wenn man die zur Verfügung stehenden Anbauflächen mit speziellen Energiepflanzen bewirtschaften würde. Geht man von einer Anbaufläche von fünf Millionen Hektar aus, so lassen sich nach einer Studie der Basler Prognos AG bis zu 840 Petajoule gewinnen. Derzeit beträgt die landwirtschaftlich genutzte Fläche 11,5 Millionen Hektar; allein in den vergangenen zehn Jahren wurden in Deutschland fast zwei Millionen Hektar stillgelegt. Für landwirtschaftliche Betriebe ergeben sich große Potenziale subventionsfreien Einkommens.

Chinaschilf erreicht die höchste Energieausbeute pro Hektar. Nur etwa fünf Prozent niedriger liegen die Erträge bei schnell wachsenden Bäumen, dem so genannten Kurzumtrieb, wie Pappeln und Weiden. Etwa 20 Prozent niedriger als Chinaschilf liegt das Energiepotenzial bei Getreidepflanzen. Bioalkohol kommt auf 425 Petajoule. Alternativ lassen sich natürlich auch Ölpflanzen anbauen, doch liegen hier die Erträge mit 92 Petajoule deutlich niedriger; wobei allerdings kohlenhydrathaltige Reststoffe anfallen, die noch anderweitig zur Energiegewinnung genutzt werden können.

Die energetischen Potenziale von Holz und Stroh hat Martin Kaltschmitt vom Institut für Energetik und Umwelt in Leipzig zusammengetragen: 270 Petajoule lassen sich in Deutschland jährlich aus Holz gewinnen. Davon macht das Waldrestholz mit 142 Petajoule den größten Anteil aus. Industrierestholz aus Sägewerken kommt auf 40 Petajoule, Altholz auf 81 Petajoule. Für Stroh ermittelte Kaltschmitt eine Energieausbeute von 104 Petajoule jährlich.

Sowohl das Angebot an Waldrestholz als auch das an Stroh ist in Deutschland sehr ungleich verteilt. Mit 33 Petajoule Holz und 18 Petajoule Stroh liegt Bayern an der Spitze, gefolgt von Niedersachsen mit 14 und 17 Petajoule und Baden-Württemberg mit 17 und 9 Petajoule.

Es bleibt schließlich die gasförmige Biomasse. Nach Daten des Bundeswirtschaftsministeriums lassen sich aus Mist und Gülle jährlich 81 Petajoule gewinnen. Diese stecken in den fast 60.000 Tonnen organischer Substanz, die in den Ställen der Bundesrepublik täglich anfallen. 220.000 Einzelhof- und Gemeinschaftsanlagen könnten in Deutschland errichtet werden, hat Michael Köttner von der Fachgruppe Biogas errechnet. Ende 2000 gab es nach Angaben des Fachverbandes Biogas in Deutschland 1.050 Anlagen, Ende diesen Jahres sollen es bereits 1.650 sein.

Neben der Landwirtschaft können weitere Biogasquellen zur Energieerzeugung beitragen. So geht das Wirtschaftsministerium in einer Studie von elf Petajoule aus, die sich aus Biomüll gewinnen lassen und 27 Petajoule, die sich aus Klärgas nutzen lassen. Ferner könnten auf den bestehenden Deponien 16 Petajoule aus der dort ohnehin verrottenden organischen Substanz gewonnen werden.

Um die Entwicklung der Energiegewinnung aus Biomasse voranzubringen, ist diese auch im Marktanreizprogramm des Bundesamtes für Wirtschaft enthalten. So gibt es für automatisch beschickte Anlagen 120 Mark Zuschuss je Kilowatt Nennwärmeleistung. Allerdings wird dieser Zuschuss nur bis zu einer Leistung von 100 Kilowatt bezahlt. Auch ist der Zuschuss auf „Privatpersonen, freiberuflich Tätige sowie kleine und mittlere private gewerbliche Unternehmen beschränkt“ – womit jene Großunternehmen, die sich in jüngster Zeit auch zunehmend für die Energiegewinnung aus Biomasse interessieren, leer ausgehen.

BERNWARD JANZING

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