: Asyl hinter Gitter
In Dänemark will eine große Koalition „kriminelle Flüchtlinge“ in Internierungslager stecken
STOCKHOLM taz ■ Noch gestern wollte das dänische Parlament über einen Antrag abstimmen, der die Internierung kleinkrimineller Flüchtlinge vorsieht. Es wurde mit einer breiten Mehrheit gerechnet. Denn bereits am Mittwoch hatten sich die sozialdemokratisch geführte Regierung und die beiden konservativen Oppositionsparteien auf einen entsprechenden Entwurf geeinigt. Ein Flüchtling, dessen Asylantrag noch nicht entschieden ist und der straffällig wird, muss nicht nur wie bisher mit einer Ablehnung ohne weitere Prüfung rechnen, sondern soll bis zur rechtskräftigen Entscheidung seines Asylverfahrens in speziellen Lagern interniert werden. Um keine weitere Gelegenheit zu haben, straffällig zu werden, so die Begründung.
Ursprünglich war gar die Verbannung auf eine unbewohnte Insel vorgeschlagen worden. Doch mit dieser ihrer Lieblingsidee stieß Innenministerin Karen Jespersen, die in den 70er-Jahren als Feministin bei den Linkssozialisten begann, selbst bei den eigenen GenossInnen auf zu viel Widerstand.
Die Lager werden jetzt auf dem Festland errichtet, doch ansonsten kennt die Regierung keine Hemmungen: Ein Ladendiebstahl im Wert von mindestens 120 Mark genügt, um hinter den Zäunen eines solchen Lagers zu verschwinden, bis das Flugzeug für die Abschiebung bereitsteht. Auch wenn das Monate dauert – das Gesetz kennt kein Zeitlimit. Jespersen: „Wir setzen uns hiermit in der EU an die Spitze bei der Bekämpfung solcher Kriminalität.“
Die Sozialdemokraten setzen damit einen flüchtlingspolitischen Kurs fort, der auch in den eigenen Reihen umstritten ist. Die rechtspopulistische Volkspartei ist eine Erklärung für das Bemühen von Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen vor den vermutlich schon bald von ihm ausgeschriebenen Neuwahlen nach rechts keine Stimmen zu verlieren. Das Bemühen auf einer intoleranten Grundwoge mitzuschwimmen scheint das Hauptmotiv.
In einem Land mit einem Ausländeranteil von gerade sieben Prozent ist die Ausländerpolitik seit Jahren ein heißes Thema. Dabei geht es fast nur um negative Aspekte der Einwanderung. Das jetzige „Internierungsgesetz“ ist Produkt einer immer breiteren Kampagne. Sie hatte als Debatte über Probleme von Ladenbesitzern mit Diebstählen von Asylsuchenden in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft begonnen. Laut einer EU-Untersuchung hat Dänemark zusammen mit Belgien und Griechenland das höchste fremdenfeindliche Potenzial in der EU: 20 Prozent der Dänen stufen sich danach selbst als intolerant gegenüber AusländerInnen und Flüchtlingen ein. REINHARD WOLFF
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