: Sparschwein regiert
Verbraucherministerin Künast braucht 800 Millionen Mark für die Agrarwende. Finanzminister Eichel will kein zusätzliches Geld geben
aus Berlin BERNHARD PÖTTER
Kaum sind die apokalyptischen Visionen von BSE und MKS verblasst, reduziert sich die „Agrarwende“ auf einen umstrittenen Haushaltstitel und einen Koalitionskrach. 200 Millionen Mark mehr fordert die grüne Verbraucherministerin Renate Künast für das Jahr 2002, um den Einstieg in eine andere Landwirtschaft zu finanzieren. Die aber will Finanzminister Hans Eichel (SPD) nicht lockermachen, weil er keine neuen Schulden aufnehmen will. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe „großes Verständnis“ für Künasts Forderung, erklärte Regierungssprecher Heye gestern. Aber ob das bedeutet, dass es zusätzliches Geld geben wird, blieb unklar.
Am 13.Juni soll der Haushaltsplan 2002 im Bundeskabinett beschlossen werden. Da erinnern die Grünen den Kanzler an seine Worte, die Agrarwende werde am Geld nicht scheitern. Das genau aber fürchtet das Verbraucherministerium. Denn für die Förderung von Öko-Betrieben, Beihilfen im Naturschutz, Prämien für artgerechte Haltung oder bessere Vermarktungsstrukturen bei Öko-Lebensmitteln braucht Renate Künast nach Berechnungen ihres Hauses von 2002 bis 2004 insgesamt etwa 800 Millionen Mark zusätzlich. Denn es kostet Geld, das Geld ökologischer auszugeben: Einerseits müssen die Bundesländer bei einer veränderten Förderung zustimmen – und werden das nur tun, wenn es mehr Geld gibt. Andererseits kostet auch die „Modulation“ der EU-Zahlungen an die Bauern viel Geld. Denn wenn der Bund diese Mittel an Öko-Kriterien bindet, muss er die Mittel mit noch einmal dem gleichen Betrag „kofinanzieren“, also noch mal Geld drauflegen. Schließlich sollen auch Modellprojekte für regionale Landwirtschaft finanziert werden. „Ohne zusätzliches Geld geht nichts bei der Agrarwende“, heißt es von den Grünen.
„Von neuem Geld war nie die Rede“, kontert dagegen Jörg Müller vom Finanzministerium. Die umstrittenen 200 Millionen könne Künast durchaus in ihrem eigenen Etat erbringen, wenn „alte Subventionen abgeschmolzen werden“. Das Schwierige an der alten Agrarpolitik seien ja gerade die „festgeschriebenen Subventionen“. Sauer ist Eichel darüber, dass die Koalitionsrunde am Montagabend Künast mehr Geld zugesichert hat, als er bei einem anderen Termin war. „Das hat die Ausgangslage nicht verbessert“, sagt Müller.
„Wir sind unzufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs zwischen Eichel und Künast“, meint Hans Langguth, Sprecher der Grünen-Fraktion. „Das reicht nicht aus für die Agrarwende, die Grüne und der Kanzler versprochen haben.“ Eine Verschiebung der Entscheidung auf den November, wenn das Parlament über den Haushalt entscheidet, wollen die Grünen nicht akzeptieren, denn die Zeit drängt. Ende Juni beginnt das Haushaltsjahr für die Bauern. Wenn bis dahin nicht sicher ist, wie viel Geld sie für welche Öko-Leistungen bekommen, gelten die alten Richtlinien. Dann aber könnte das Umschichten im Agraretat hin zu mehr Öko-Landbau erst im Januar 2003 beginnen – die Agrarwende käme ein Jahr später als geplant.
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