königsmord in nepal: Nationale Tragödie
Das Massaker im Königspalast von Kathmandu ist eine Familientragödie – und ein Desaster für Nepal. Dass ein Mann Mutter, Vater, Geschwister und weitere vier nahe Verwandte erschießt, weil die Eltern mit seiner Brautwahl nicht einverstanden sind, zeigt, dass pathologische Eruptionen in jeder Kultur und Klasse vorkommen können. Dass es aber, wie im vorliegenden Fall, das monarchische Oberhaupt eines armen und von politischen Konflikten erschütterten Landes trifft, macht aus dem Blutbad auch eine nationale Tragödie.
Kommentarvon BERNARD IMHASLY
Der ermordete König Birendra Schah war eine Person, die in nicht geringem Maß für diese politischen Erschütterungen Nepals mitverantwortlich war. Die blutige Durchsetzung der demokratischen Souveränität im Jahr 1990 war gegen seinen Widerstand erfolgt. Damals wollte König Birendra Macht und Vorrechte der absoluten Monarchie nicht aufgeben. Die stürmische Periode, die die nepalesische Demokratie mit neun Regierungswechseln daraufhin durchlief, war auch das Resultat einer politischen Kultur, die vom Königshaus zu lange systematisch unterdrückt worden war. Und die maoistische Revolte, die sich im bitterarmen Land immer weiter ausbreitet, ist wiederum eine Reaktion auf die mangelnde demokratische Einbindung einer Politikerkaste, die die vom Monarchen geräumten politischen Positionen übernommen hat.
In Kathmandu gibt es Spekulationen, denen zufolge nicht nur familiäre, sondern auch politische Motive eine Rolle beim Vatermord gespielt hätten. Dem Kronprinzen wurde nachgesagt, er habe seinen Vater vergeblich gedrängt, die Macht der Monarchie mit Hilfe der Armee wieder geltend zu machen. Auch wenn das Gerücht nicht zutrifft, zeigt es doch, dass König Birendra in den letzten zehn Jahren gelernt hatte, seine weit gehend eingeschränkte Rolle zu akzeptieren. Seinem Königreich hatte der Monarch dadurch eine Stabilität gegeben, die Nepal bei den häufigen Regierungswechseln immer dringender braucht. Die am Samstag und Montag erfolgten ordnungsgemäßen Thronfolgen – zunächst die des im Koma liegenden Mörders und Kronprinzen, dann, nach dessen Tod, die des bereits als Regenten eingesetzten Bruders des Königs – können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese politische Stütze wankt. Dem von Armut geplagten Land droht nun neben politischer Labilität und sozialem Aufruhr auch noch der Verlust einer religiös verankerten Autorität und Kontinuität.
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