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Gleichberechtigt investieren

Investmentfonds berücksichtigen nicht, welche Haltung Unternehmen gegenüber homosexuellen Mitarbeitern einnehmen. Ford-Werke erhalten Auszeichnung für „radikale Gleichberechtigung“

von BIRGIT BOSOLD

„Gayconomy“ wird von der Industrie zunehmend als Wirtschaftsfaktor erkannt. Das belegen auch die zahlreichen und immer größere Beträge investierenden Sponsoren bei den Christopher Street Days.

Doch in der Finanzbranche kommt dieser Trend erst langsam an. Immer noch können sich schwule Paare nicht privat per Lebensversicherung gegenseitig absichern, weil die meisten Versicherer keine Anträge akzeptieren, bei denen der Versicherungsnehmer männlich und der Bezugsberechtigte im Todesfall ein nicht verwandter oder geschäftlich verbundener Mann ist: Schwule Männer gelten wegen HIV als nicht versicherbare Risikogruppe. Immerhin erste Schritte gibt es: Eine Reihe von Anbietern versichern nicht nur schwule Paare, sondern versuchen auch in der Produktgestaltung den Lebensgewohnheiten homosexueller Menschen gerecht zu werden.

Auch Investmentfonds, die bei ihren Investitionsentscheidungen die Haltung von Unternehmen gegenüber homosexuellen Mitarbeitern und Kunden berücksichtigen, sucht man vergebens. Allerdings gehört die Prüfung, wie sich ein Unternehmen in Sachen Diskriminierung von Minderheiten und damit auch von Homosexuellen verhält, bei den führenden Öko- und Nachhaltigkeitsfonds inzwischen zum Standard. Geprüft wird dabei beispielsweise, ob ein Unternehmen antidiskriminierende Praktiken bei der Werbung um neue Mitarbeiter anwendet, besondere Förderprogramme für Frauen oder Minderheiten vorsieht oder Präventionsprogramme gegen Diskriminierung implementiert hat. Die Angaben dazu werden in umfangreichen Fragebogen und einer ausführlichen Selbstdarstellung des Unternehmens erhoben und mit öffentlich zugänglichen Daten abgeglichen. Darüber hinaus werden Betriebsräte und Gewerkschaften befragt. Schwachpunkt dieses Verfahrens könnte sein, dass die Angaben häufig die Mehrheitsperspektive wiedergeben und viele Benachteiligungen nicht auf den ersten Blick und erst recht nicht aus der Perspektive Nichtbetroffener erkennbar sind. Zum anderen wird vielleicht den Unternehmen zu wenig Rechnung getragen, die Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität nicht nur nicht diskriminieren, sondern ihre Unterschiedlichkeit ausdrücklich würdigen.

Schätzungsweise fünf Millionen homosexuelle Männer und Frauen leben in der Bundesrepublik. Jeder fünfzehnte Erwachsene ist schwul oder lesbisch, überdurchschnittlich viele davon – das behaupten zumindest die schwul-lesbischen Fundraiser – sehr gut verdienend und vermögend. Laut einer aktuellen Umfrage halten fast die Hälfte aller Bundesbürger sozial-ökologische Anlagen für attraktiv. Für die Homosexuellen darunter wäre darüber hinaus die Chance, mit dem eigenen Geld „einen Unterschied machen“ und in „Gleichberechtigung investieren“ zu können, wie die Werbeslogans der US-Regenbogenfonds vorschlagen. Möglicherweise ein attraktives Angebot.

Wenn nur ein Prozent der homosexuellen Bundesdeutschen, das entspräche dem Prozentsatz der Befragten, die tatsächlich sozial-ökologischen Anlagen bereits besitzen, einen Regenbogenfonds etwa mit 5.000 Mark zeichnen würde, käme immerhin ein Volumen von 250 Millionen Mark zusammen – mehr als viele Ökofonds aufweisen können. Ähnlich wie bei den Nachhaltigkeitsfonds könnte eine deutliche Signalwirkung auf die gesamte Wirtschaft von einem solchen Fonds ausgehen, dass „Diversity Management“ auch an der Börse honoriert wird.

„Diversity Management“ wäre auch das Konzept, an dem sich der Kriterienkatalog sinnvollerweise zu orientieren hätte. Kern dieses Managementkonzepts ist es, die Unterschiede zwischen Menschen, die Vielfalt ihrer Fähigkeiten, Erfahrungen und Einstellungen als kreative Ressource für das Unternehmen zu nutzen. Unternehmen, die diesen Gedanken verstanden haben und damit sowohl Mitarbeiter als auch Kunden an sich binden können, erwerben Wettbewerbsvorteile in einer sich zunehmend globalisierenden Wirtschaft und individualisierenden Gesellschaft und wären damit – auch jenseits ethischer Überlegungen – eine gute Investition.

Unternehmen, in die ein regenbogenfarbiger Investmentfonds investieren könnte, gibt es jedenfalls. Beispiel: die Ford Werke Deutschland. Sie wurden vor einigen Wochen vom Völkinger Kreis, dem bundesweiten Verband schwuler Führungskräfte mit dem in diesem Jahr erstmalig verliehenen Max-Spohr-Managementpreis ausgezeichnet. Kernkriterium für die Vergabe des Preises ist die Reputation schwuler, lesbischer und bisexueller Mitarbeiter im Unternehmen. Die Leistung, die ausgezeichnet wird, ist laut Angaben des Jurysprechers Klaus Streeck, der „hervorragende, effektivitätssteigernde Umgang mit Unterschieden zwischen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“. Wesentlich dafür ist eine – wie Streeck betont – „radikale“ Gleichberechtigung sämtlicher partnerschaftlicher Lebensformen und sexuellen Identitäten, das bedeutet ein Engagement des Unternehmens über die gesetzliche Selbstverständlichkeiten hinaus. Ford hat verbindliche Richtlinien zum „Diversity Management“ und führt entsprechende Fortbildungsmaßnahmen durch. Schwul-lesbische und bisexuelle Mitarbeitergruppen werden nicht nur geduldet, sondern aktiv – auch finanziell – gefördert.

Und im Unterschied zu den schon genannten Versicherungsunternehmen steht der Konzern offenbar auch zu seinem Engagement: Ein Hinweis auf die Preisverleihung jedenfalls ist auch auf den Internetseiten des Unternehmens publiziert.

Die Autorin ist Fachautorin und Finanzplanerin des Berliner Unternehmens „Das Finanzkontor“. Kontakt: Tel. (030) 21 47 47 90, E-Mail: dasfinanzkontor@t-online.de

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