piwik no script img

Cineastin auf Abruf

■ Der Streit um abgeordnete Lehrer trifft jetzt das Kino 46: Nach 14 Jahren soll die Geschäftsführerin in die Schule zurück

Alle Jahre wieder, manchmal auch ein Jahr zu spät, hat Christine Rüffert (44) Bescheid bekommen: Die Bildungsbehörde stellte die Lehrerin für weitere zwölf Monate vom Schuldienst frei und verlängerte damit ihre so genannte Abordnung ins Kommunalkino. Doch das soll ab August vorbei sein. Wie zwei andere seit Jahren in Kultureinrichtungen oder der Kulturverwaltung tätige KollegInnen muss die ausgewiesene Kennerin von Experimentalfilm und Videokunst nach 13 Jahren zurück in die Schule. Dem erst im Herbst 2000 mit einem Bundespreis ausgezeichneten Kommunalkino alias Kino 46 fehlt damit ein Drittel des Leitungspersonals oder knapp ein Viertel des Budgets.

Die abgeordneten LehrerInnen sind seit Jahren ein Streitfall zwischen Bildungs- und Kulturbehörde. Als Ende der 80er Jahre die Schülerzahlen zurückgingen, wurden weit über 100 LehrerInnen voll oder in Teilzeit in Kultureinrichtungen wie das Kommunalkino, die Kunsthalle oder die Kulturwerkstatt „Westend“ abgeordnet. In keinem Bundesland ist der Zeitraum dieser Abordnungen festgelegt. Aber in Bremen ist aus diesem kurzfristigen Personaleinsatz ein Dauerzustand geworden. „Die Abordnungen sind zu Versetzungen mutiert“, schreibt ein von Rüffert beauftragter Anwalt.

Christine Rüffert ist nach dem Staatsexamen 1987 Lehrerin an einer Bremer Schule geworden. Schon 1988 wurde sie an die Kulturbehörde abgeordnet, um eine Bestandsaufnahme über die Bremer Filmszene zu schreiben. „Ich habe mich nicht eingeschlichen“, sagt sie. Mit den Plänen für das Medienzentrum, das 1993 eröffnet wurde, wechselte sie ins Kommunalkino. Abgesehen von den bis zu hundert Schulvorstellungen pro Jahr, die Rüffert mitorganisierte, gilt: Bildung zahlte, Kultur hatte den Nutzen.

Diese Form der Arbeitsteilung spielte keine Rolle, so lange beide Behörden noch einem Senatsressort zugeordnet waren. Doch mit der Trennung vor zwei Jahren pochte Bildungssenator Willi Lemke (SPD) auf die Rückkehr „seiner“ LehrerInnen. Ein Viertel der Abgeordneten muss Jahr für Jahr in die Schule zurück. Pädagogische Abteilungen in Bremer Museen wurden so schon ausgedünnt. Auch in Volkshochschule und Stadtbibliothek sind LehrerInnen tätig, die mit Bescheiden rechnen müssen.

Michael Filzen-Salinas, Personalrat in der Kulturbehörde und selbst bis zu einem gewonnenen Rechtsstreit abgeordneter Lehrer, hat für die Rückholaktion durchaus Verständnis: „Lemke steht unter Druck.“ Nach Ansicht des Personalrats muss der Senat das seit Jahren immer wieder vertagte Problem endlich lösen. Für Rüffert, die Bremen unter anderem bei der Filmbewertungsstelle FBW vertritt, drängt die Zeit. Nicht nur das Filmprogramm für das Jubiläum des Neuen Museums Weserburg müsste sonst ohne die Organisatorin stattfinden. ck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen