: Das Kilo Spargel für 67 Pfennige?
■ Lohndumping bei Nienburger Spargelbauern entdeckt
Dass polnische SaisonarbeiterInnen beim Spargelstechen nicht reich werden, dürfte ein offenes Geheimnis sein. Wenn ihre Arbeitgeber nach Tarif bezahlen, bekommen sie für's ständige Bücken einen Brutto-Stundenlohn von 10,60 Mark. Nach Informationen der lokalen Zeitung in Nienburg, „Harke“, zahlen Spargelbauern im Landkreis selbst diesen geringen Lohn anscheinend nicht immer zuverlässig.
Da ist zum Beispiel der „Früchtehof Helmut Schindler“ in Wietzen. Hier soll Bauer Schindler polnischen SaisonarbeiterInnen nur 67 Pfennige pro Stunde gezahlt haben. Andere hätten ihren Lohn nicht regelmäßig bekommen. Als die SpargelstecherInnen sich beschwert hätten, habe Schindler die 16 ArbeiterInnen fristlos entlassen. Drei der Betroffenen seien bereits zurück nach Polen gereist. 13 Arbeiter hätten die Gewerkschaft um Hilfe gebeten, so Frank Duensing, Gewerkschaftssekretär der „IG Bauen Agrar Umwelt“. Mittlerweile sei Schindler bereit, Lohndifferenzen nachzuzahlen. Ob diese Zahlungen allerdings ausreichen, sei kaum überprüfbar, kritisiert Duensing. Der Gewerkschafter glaubt, Bauer Schindler hätte erst dem Druck von Arbeitsamt und Presse nachgegeben. Die entlassenen Saisonarbeiter haben eine Anstellung bei einem anderen Spargelbauern gefunden.
Fritz Bormann von der „Arbeitsgemeinschaft Nienburger Spargel“, einer Spargelbauernvereinigung, ist um Schadensbegrenzung bemüht. Die Arbeitsgemeinschaft tritt dafür ein, dass der vereinbarte Lohn gezahlt wird und die ArbeiterInnen ordnungsgemäß krankenversichert sind. Darüber hinaus habe man das Arbeitsamt gebeten, den Fall zu prüfen, was jetzt auch geschieht. Dem Arbeitsamt Nienburg ist Helmut Schindler ebenfalls kein Unbekannter. Schon im vergangenen Jahr hat er für die Saison 2001 die Auflage bekommen, den SpargelstecherInnen feste Unterkünfte statt der bisherigen Wohnwagen zur Verfügung zu stellen. Bei der Überprüfung dieser Auflage sei man auf die bereits erwähnten Unregelmäßigkeiten in der Lohnzahlung gestoßen, erklärt der zuständige Abteilungsleiter beim Nienburger Arbeitsamt, Harald Büge.
Da das Arbeitsamt im Bezirk für 5000 polnische SaisonarbeiterInnen zuständig ist, kann die tarifvertragliche Entlohnung nur stichprobenhaft kontrolliert werden. Allerdings nimmt Büge auch an, dass es nicht viele Fälle, wie den Schindler'schen Hof gibt. Im Gegensatz dazu geht Gewerkschaftsmann Frank Duensing davon aus, dass der Fall Schindler eben nicht eines von wenigen schwarzen Schafen ist. Er befürchtet, dass die angeprangerte Entlohnungspraxis weit verbreitet ist. ube
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