: Oppermann stiftet akademische Unruhe
Aus Niedersachsens Provinz dirigiert der vorgeblich sozialdemokratische Wissenschaftsminister die Hochschuldebatte der ganzen Republik: Er will seinen Universitäten das Recht geben, sich als Stiftungen neu zu erfinden
von CHRISTIAN FÜLLER
Er ist so etwas wie der heimliche Star unter den Kultusministern: Niedersachsens Thomas Oppermann, vorgeblicher Sozialdemokrat. Immer, wenn irgendwo in der Republik eine neue Idee für die verrotteten Hochschulen auftaucht, wartet bereits der lässige Oppermann: Ich bin schon da.
Als Rot-Grün im Bund Studiengebühren verbieten wollte, zog Oppermann seine eigenen Gebührenpläne aus der Schublade – und unterlief elegant das Vorhaben der Bundesregierung. Kürzlich beriet das Schröder-Kabinett dann die Juniorprofessuren – zwei Tage nachdem Oppermann die neuen jungen Profs in seinem Entwurf für das niedersächsische Hochschulgesetz verankert hatte.
Oppermann ist fix, undogmatisch und selbstbewusst bis an die Grenze des Erträglichen. „Wir müssen“, beschrieb er einmal das Hochschulsystem zwischen Leer und Braunschweig, „kreativer, intelligenter und mutiger sein – und wir sind es auch.“ Heute berät der Landtag ein neues Gesetz für die 16 Hochschulen Niedersachsens – und schon wird die halbe Republik nervös: Was macht Oppermann?
Der Wissenschaftsminister bereitet den neuesten Coup vor. Er ermöglicht seinen Hochschulen, sich als Stiftungen quasi neu zu gründen. Sie sollen ihr immobiles Vermögen in Stiftungskapital einbringen dürfen, frei wirtschaften und, vor allem, frisches Geld akquirieren können. Während anderswo in der Republik einzelne Unis darüber grübeln, wie sie aus den Zinsen großer Stifterkapitalien Wissenschaft treiben könnten, schafft Oppermann landesweit die Voraussetzungen dafür. Angeblich sind fünf Unis bereit, sich – von Oppermann geküsst – von unansehnlichen Frosch-Anstalten in mitgiftfähige Prinzess-Hochschulen zu verwandeln.
Ausgerechnet Niedersachsen beherrscht damit die Sommerdebatte über die Hochschulen. Alle treten nach Oppermanns Regie auf – zuletzt in der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung. Die wollte die Stiftungs-Unis negativ evaluieren. In Wahrheit traten Oppermanns Marionetten auf: die Möchtegern-Macherin aus Berlin, der kühle Analyst aus der Provinz und die zaudernde Hanseatin.
Monika Grütters etwa würde so gerne; aber in Berlin darf sie nicht (mehr). Die hochschulpolitische Sprecherin der Hauptstadt-CDU hatte vorgeschlagen, die Freie Universität Berlin bei ihrem Namen zu packen – und sie in die Freiheit einer privaten Stiftung zu entlassen. Bei Bölls lästerte Grütters über Oppermanns unechtes Stiftungsmodell – denn in Niedersachsen dürfen die Unis nur öffentlich-rechtliche Stiftungen werden. Der Unterschied zwischen Berlin und Niedersachsen ist freilich der: Obwohl es angeblich einen US-amerikanischen 100-Millionen-Mark-Sponsor gibt, bleibt die Freie Uni in staatlicher Fürsorge; die Uni Göttingen kann sich derweil, gestützt von Oppermanns Gesetz, in Ruhe Gedanken machen, wie sie ab 2002 Geld hereinholen will.
Zur Akquise von Mitteln gibt es offenbar sogar in den Weiten zwischen Nordsee, Harz und Hessen Möglichkeiten, berichtete Michel Golibrzuch. Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen in Niedersachsen mäkelte zwar am Konzept des Wissenschaftsministers herum. Aber plötzlich gestand er, dass die Uni Göttingen sich auf Staatskosten einen neuen Campus bauen wolle – damit es seine Liegenschaften in bester City-Lage räumen und zugunsten der Uni-Schatulle versilbern könne.
Das ist, im Kern, die Idee einer Stiftungshochschule: Der Staat finanziert Gebäude und Grundlagenforschung, die Uni setzt ihre Preziosen in schöner Unabhängigkeit dafür ein, exzellente Studien- und Forschungszweige zu organisieren. Und das war ursprünglich auch die Finanzierungsidee der Humboldt’schen Uni; dem Grünen fiel dazu nur ein, dass das doch ungerecht und zufällig sei. Die Uni in Göttingen nämlich profitiere von ihren Immobilien – und die FHs am platten Land guckten in die Röhre. Zweiklassensystem, schimpfte da der „Landes- und Strukturpolitiker“ (Golibrzuch über Golibrzuch). Der Wissenschaftspolitiker Oppermann dürfte sich in Hannover die Hände reiben.
In Hamburg legt Krista Sager derweil die Hände in den Schoß. Die grüne Wissenschaftssenatorin kann das, weil eine Kommission daran feilt, ihr über den „Mehrwert zu berichten, der eigentlich aus der Rechtsformänderung einer Uni resultiert“. Hintergrund ist, dass Hamburgs Unipräsident Jürgen Lüthje auch seine Hochschule gerne aus Zinsen abwerfendem Stiftungskapital betreiben würde. Das musste, klar, erst geprüft werden. Es kam, wie es kommen musste: Die Kommission fand allerlei Hinderungsgründe. Und Krista Sager, der früher der Ruf einer Macherin vorauseilte, gefällt sich nun in der Rolle der Zögerin und Zauderin. Hamburgs Uni, beruhigte sich Sager bei Bölls mit hanseatischen Mäzenen, bekäme bereits jetzt Gebäude spendiert, die zweistellige Millionenbeträge kosten – da bedürfe es keiner Umwandlung in Stiftungen.
Der Präsident der Berliner TU fand das gar nicht witzig. „Wir haben die amerikanische Stiftungskultur nicht“, sagte Hans-Jürgen Ewers, erstaunt über so viel Bedenkenträgerei, „also müssen wir sie schaffen.“ Und dazu gehört laut dem renommierten Ökonomen für die Uni: Finanzierungssicherheit von Seiten des Staates, das Recht, eigenes Geld zu erwirtschaften – und Studiengebühren. Alles das also, was Thomas Oppermann plant oder in der Schublade hat.
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