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bündnis in frankfurtPolitische Promiskuität

Saarbrücken, Berlin und nun also auch Frankfurt: Während das politische Alltagsgeschäft immer grauer wird, gewinnt die Palette von Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Parteien derzeit fast täglich Farbtupfer hinzu. Manche Beobachter begrüßen diese Tatsache als umfassende Chance auf Befreiung aus zerrütteten Zwangsgemeinschaften, gerade so, als seien die neuen Bündnisse durchweg Liebesheiraten. Dabei handelt es sich doch im Allgemeinen eher um bedauerliche Fälle politischer Promiskuität.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Es ist verständlich, dass politische Strategen sich darum bemühen, das Spektrum ihrer Optionen zu erweitern. Jede Partei, die nur über einen einzigen möglichen Koalitionspartner verfügt, ist diesem Partner auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Grünen können ein Lied davon singen. Andererseits gibt es auch Beispiele dafür, dass der kleinere Bündnispartner einen überproportional großen Einfluss gewinnt, wenn die Großen keine Alternative haben. Über Jahrzehnte hinweg hat die FDP praktisch alleine entscheiden können, wer die Bundesrepublik regieren sollte. Eine größere Auswahl möglicher Konstellationen vergrößert die Chance, dass sich tatsächlich die Partner zusammenfinden, die inhaltlich am meisten miteinander verbindet. Sollte man meinen.

Leider lehren die jüngsten Erfahrungen das Gegenteil – die neuen Bündnisse verstärken eher den Eindruck inhaltlicher Beliebigkeit, als dass sie ihn verminderten. Was haben CDU, Grüne und FDP in Frankfurt denn gemeinsam? Wer stolz verkündet, 88 konkrete Projekte verabredet zu haben, gibt damit nur zu, keine Überschrift für die künftige Politik gefunden zu haben. Als Wolfgang Schäuble noch der starke Mann der Union war, hatte die Vorstellung einer schwarz-grünen Koalition für zahlreiche Anhänger beider politischen Lager einen gewissen Charme. Ungeachtet großer inhaltlicher Differenzen gab es einige Berührungspunkte, die beide Parteien stärker miteinander als mit ihren traditionellen Partnern FDP und SPD verbanden. Davon kann derzeit keine Rede sein.

Die Grünen sind gewiss nicht die einzige Partei, die immer wieder in den Verdacht gerät, für die Beteiligung an der Macht zum Verrat aller Grundsätze bereit zu sein. Jetzt aber leisten sie auch noch dem tief in die Spendenaffäre verstrickten CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch indirekt politische Schützenhilfe. So schaufelt man sich sein eigenes Grab.

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