: Keine Vorzensur auf Info-Tischen
■ Hamburgisches Wegegesetz behindert Grundrecht auf Freie Meinungsäußerung
Info-Tisch und Glühweinstand – vor dem Hamburgischen Wegegesetz (HmbWegeG) sind beide gleich. Ihre Aufstellung auf öffentlichem Grund und Boden gilt als „Sondernutzung“ und bedarf in der Regel einer Genehmigung durch das zuständige Bezirksamt. Da vermag es den Laien kaum zu verblüffen, dass zum Zwecke des Vorkos-tens auch Flugblätter und Broschüren herangezogen werden: Gerade in Zeiten politischer Kontroverse legt ein Verwaltungsmensch seine Aufgabe gern mal extensiv aus und möchte, bevor er genehmigt, erst einen Blick ins zu verteilende Material werfen. Dieser Art von „Vorzensur“ hat das Hamburgische Verwaltungsgericht (VG) nun einen Riegel vorgeschoben.
Auslöser war ein Streit des Vereins zur „Förderung antifaschistischer Kultur und Kommunikation“ mit dem Bezirksamt Wandsbek. Nach einem Neonazi-Aufmarsch in Bramfeld wollten AnitfaschistInnen für die notwendige Gegenöffentlichkeit sorgen und hatten Info-Stände beantragt. Das Bezirksamt jedoch wollte die Tische nur genehmigen, wenn es vorher das Info-Material sichten dürfte – um sicherzustellen, dass die Informationsschriften auch mit Impressum versehen waren und keine nach dem Presserecht strafbare Handlung darstellten.
Im Eilverfahren wurde dieses Begehren abgeschmettert. Das Bezirksamt sei „in keiner Weise berechtigt, Publikationen der Antragstellerin oder ihr nahestehender Organisationen oder Einzelpersonen vor ihrer Auslage auf Inhalt zu überprüfen“, urteilte das VG. „Das käme einer mit den Grundrechtsgarantien aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG nicht zu vereinbarenden Vorzensur gleich, die Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG grundsätzlich und ohne Ausnahme verbietet.“ Schließlich gebe es genügend Instrumentarien durch Ordnungsämter, Polizei und Staatsanwaltschaft, tatsächliche presserechtliche Verstöße im Wege der „Nachzensur“ verfolgen zu lassen. (AZ: 7 VG 1186/2001)
Überhaupt bemängelt das VG am Hamburgischen Wegegesetz, dass es einen „Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis“ zwecks politischer Betätigung generell ausschließt. „Diese Vorschrift ist verfassungrechtlich bedenklich“, so die RichterInnen, „da sie der Ausübung von Grundrechten durch Gesetz ein Genehmigungsverfahren vorschreibt, ohne dass sich aus diesem Gesetz ergibt, von welchen Vorausetzungen die Genehmigung einer Erteilung abhängig ist oder aus welchen Gründen sie versagt werden kann.“ Im Klarxtext: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung liegt unzulässig im freien Ermessen von Behörden – wie auch schon 1991 vom Bundesverfassungsgericht kritisiert.
Vereins-Anwalt Hans-Joachim Schaller ist daher über die Bekräftigung erfreut. „Es istein klarer Verfassungsbruch, wenn ein Hamburger Bezirksamt einen antifaschistischen Büchertisch verbietet, mit dem über die Umtriebe der Neonazis in Bramfeld informiert werden sollte.“ Magda Schneider
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