: „Die Situation bei VW ist sehr speziell“
Vertreter anderer Gewerkschaften und Unternehmen schätzen das angedachte „5.000 mal 5.000“-Modell eher zurückhaltend ein
BERLIN taz ■ Dass er mit dem Projekt 5.000 mal 5.000 vielleicht keine Revolution anzetteln, aber auf jeden Fall ein deutliches Signal für neue Formen der Arbeitsorganisation setzen will, daran hat VW-Personalchef Peter Hartz keinen Zweifel gelassen. Aber taugt das VW-Modell überhaupt für andere Unternehmen und Branchen?
Viele Betriebsräte sind skeptisch. Sie müssten Standards zurücknehmen. Dabei gilt die größte Aufregung bei den Beschäftigten in der Automobilindustrie schlicht dem Lohn. Bei VW selbst sind manche empört, „dass die IG Metall das überhaupt als ernst zu nehmendes Angebot in Betracht zieht“. Offizielle Vertreter sind dagegen vorsichtiger. DaimlerChrysler-Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm möchte erst das Verhandlungsergebnis abwarten. Und sein Opel-Kollege Klaus Franz erklärt, im Rüsselsheimer Werk gelte definitiv „ganz normal die 35-Stunden-Woche“.
Auch Gewerkschafter anderer Branchen halten sich mit Prognosen zurück. Michael Denecke von der IG Bergbau, Chemie und Energie verweist auf „die noch laufenden Tarifverträge“. Etwas konkreter wird IG-BAU-Tarifsekretär Volker Cosfeld. Ein Konzept wie „5.000 mal 5.000“ funktioniere nur mit einem starken Betriebsrat, der Missbrauch von Unternehmensseite verhindere. Im Baugewerbe habe aber nur jedes dritte Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten überhaupt einen Betriebsrat – von den Einflussmöglichkeiten seiner VW-Kollegen könne der nur träumen.
Die Situation bei VW sei „sehr speziell“, erklärt auch Reinhard Bispinck, Tarifexperte beim Düsseldorfer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut. Neue Kapazitäten schaffen und die Arbeitsplätze mit Arbeitslosen besetzen zu müssen, seien „hohe Hürden“ für andere, das Modell zu kopieren. Der so genannte Programmlohn könne dagegen bei Arbeitgebern auf Interesse stoßen. Schließlich übernähmen die Beschäftigten die Verantwortung für die Qualität des Ergebnisses.
In der Tat will der Tarifexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Stefan Küpper, das VW-Konzept zwar „nicht als das Modell für die deutsche Wirtschaft“ sehen. Interessant findet er es dennoch – vor allem für Unternehmen mit unterschiedlichen Kostenniveaus im In- und Ausland. „Die Kernideen, Lohn stärker an Leistung zu koppeln und zu arbeiten, wann Arbeit anfällt“, wiesen in die richtige Richtung. Allerdings müssten die Zielvereinbarungen an die jeweilige Unternehmensstrategie anknüpfen.
Auch die Konkurrenz scheint die Volkswagen AG nicht begeistert zu haben. BMW-Sprecherin Christine Krepold hält den Hype für übertrieben. Hyperflexible Arbeitszeiten seien bei BMW seit 15 Jahre gang und gäbe. Außerdem sei es zwar „ein schönes Ziel“, Arbeitslose von der Straße zu holen. Allerdings schaffe man damit nicht nur eine spezielle Klasse von Arbeitern, die schlechter bezahlt würden und sich weniger mit dem Konzern identifizierten. Un- und Angelernte könnten auch nicht im gleichen Maß für die Qualitätssicherung verantwortlich gemacht werden wie Facharbeiter. BEATE WILLMS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen