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Algier geknebelt

In Reaktion auf die Jugendrevolte verbietet Algeriens Regierung Demonstrationen in der Hauptstadt

MADRID taz ■ Algeriens Regierung hat „bis neue Befehle ergehen“ ein generelles Demonstrationsverbot über die Hauptstadt Algier verhängt. Dies verkündete das Innenministerium nach einer Krisensitzung der Regierung am späten Montagnachmittag. Noch am gleichen Abend übertrug das Staatsfernsehen eine Ansprache von Premierminister Ali Benflis: „Wir haben nur ein Vaterland: Algerien. Wir müssen in allen Regionen unser geliebtes Vaterland und das Volkseigentum schützen“, richtete er sich an die Bürger.

Das sind die ersten offiziellen Reaktionen, seit am Donnerstag vergangener Woche die größte Demonstration in der Geschichte des Landes mit Gewalt endete. Nach neuesten Angaben wurden dabei vier Demonstranten getötet und 946 teils schwer verletzt. Die Polizei hatte gewaltsam verhindert, dass die 1,5 Millionen Demonstranten zum Präsidentenpalast in Algier zogen. Der durch Demonstranten und Plünderer verursachte Sachschaden beläuft sich auf 30 Millionen Mark.

Staatschef Abdelaziz Bouteflika, dessen Rücktritt unabhängige Presse und Opposition fordern, hüllt sich allerdings weiter in Schweigen. Er bereitet eine Rundreise durch die Regionen des Landes vor, die bisher noch nicht von den Unruhen erfasst wurden. Die freilich werden immer weniger. Vor allem der Osten rund um Constantine, Anaba und Skida sowie die Südprovinz Dirah sind in diesen Tagen betroffen. Zu den heftigsten Unruhen kam es in der Stadt Ain Mlila, rund 400 Kilometer östlich von Algier. Aufgebrachte Jugendliche bewarfen das Haus des Bürgermeisters mit Steinen. Dessen Sohn antwortete mit Schüssen aus seiner Kalaschnikow, bevor er floh. Die Demonstranten zündeten das Haus und zwei Geschäfte der Familie an. 40 Demonstranten wurden verletzt. In Chlef im Westen Algeriens töteten unterdessen mutmaßliche Islamisten mindestens 13 Soldaten.

Seit Donnerstag haben die Unruhen auch in der Kabylei wieder zugenommen. In der Provinz um die Berbermetropole Tizi Ouzou und in Teilen der Region um die zweitgrößte kabylische Stadt Bejaia gehen die Jugendlichen Tag für Tag auf die Straße. Mit Molotowcocktails und Steinen griffen sie Polizeireviere und Kasernen der Gendarmerie an. Dabei kamen am Montag erneut drei Jugendliche durch Schüsse ums Leben. Die Zahl der Todesopfer steigt damit nach Zählungen der Opposition auf knapp hundert. Die Regierung gesteht 56 Tote ein. REINER WANDLER

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