: Böll goes Naumann
■ Die grüne Stiftung Umdenken berät jetzt auch FirmengründerInnen
Der Gedanke, die Grünen und die FDP könnten sich gegenseitig WählerInnen abspenstig machen, scheint ganz so weit hergeholt nicht zu sein. Zumindest ihr Menschenbild hat sich soweit angenähert, dass die denGrünen nahe Heinrich-Böll-Stiftung jetzt den Weg in die Selbständigkeit propagiert. Gestern hob sie in Altona ein „Gründer-Fitness-Center“ aus der Taufe. „Unternehmerisches Denken und Handeln zu befördern, als ein Baustein zur Gestaltung der Zivilgesellschaft“, ist ihr Ziel. „Dieses Ereignis markiert nichts weniger als eine Kulturrevolution“, kommentierte Böll-Bundesvorstand Ralf Fücks mit Blick auf die kapitalismuskritische Vergangenheit der Grünen.
Wer selbständig werden möchte, kann sich im Gründer-Fitness-Center drei Jahre lang coachen lassen. Die Initiatoren, Dieter Bensmann vom Böll-Bildungsträger Umdenken und der Unternehmensberater Conrad Bölicke, gehen von dem Gedanken aus, dass „jeder Mensch eine Idee in sich trägt, die zur Sicherung seiner ökonomischen und sozialen Existenz tauglich ist“. Das Center soll einen geschützten Raum schaffen, in dem diese Idee entwickelt, in einen Prototypen verwandelt und schließlich an einem simulierten Markt getestet werden kann. Kaufleute und PersönlichkeitsentwicklerInnen versehen die GründungsaspirantInnen mit dem nötigen Mut und Know How.
Geht die Gründung schief, ist das in den Augen Bölickes auch kein Beinbruch. „Wenn's nicht klappt, dann haben Sie sich ökonomisch alphabetisiert“, sagt der Unternehmensberater. In der modernen Arbeitswelt sei das auf jeden Fall ein Vorteil für jemanden, der wie die meisten Deutschen als Angestellter sozialisiert worden sei.
Für Bensmann ist ökonomische Selbständigkeit das Pendant zur politischen Mitbestimmung in der Demokratie. Beide Systeme sollten sich nicht zu weit auseinander entwickeln, sondern einander befruchten, findet er. „Unternehmer ist kein Beruf, sondern eine Haltung“, sagt Bölicke und im Publikum kriegen sie feuchte Augen. Fücks stellt „die Entdeckung der entrepreneurship als Leitbild der Bürgergesellschaft“ – Kulturrevolution hin oder her – in die Tradition der Alterna-tivbewegung: „Es geht darum, herauszufinden, wer du bist, was du willst und was du am besten kannst.“ Gernot Knödler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
